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Interview A Block Nottingham Forest Gazzetta 09.04.2014

Nach dem gestrigen Interview mit der Schickeria zur Situation der Fußballfans in Deutschland heute nun das nächste. Für die gestrige Gazzetta hatte ich auch Greg vom „A Block“ Nottingham Forest interviewt, einen Aktivisten für die (Wieder-)Einführung von Stehplätzen im englischen Fußball („safe standing campaign“). Im Folgenden seine Antworten, die in gekürzter Form Eingang in die Gazzetta fanden:

Wie supportet man in englischen Kurven? Rauchbomben, Fahnen, Trommeln, Megaphone, Stehplätze: Was ist verboten und was ist erlaubt?

Der Support in englischen Stadien wird seitens der Polizei und privater Sicherheitsfirmen sehr strikt überwacht. Ich bin letztens nach Blackpool gefahren, um mein Team, Nottingham Forest, zu sehen und die Polizei durchsuchte jeden Auswärtsfan mit Spürhunden auf Pyrotechnik. Mir wurde meine Fahne konfisziert, weil ich das erforderliche Sicherheitszertifikat nicht dabei hatte. Ich unterstütze im Moment die „Football Supporters Federation“ und deren Kampagne für sichere Stehplätze. Wir machen große Fortschritte im Kampf, wieder sichere Stehplatzbereiche in englischen Stadien einzuführen, weil sehr viele Fans einfach gern stehen würden. Im Moment vergeben die Clubs allerdings noch Stadionverbote an Fans, die zu lange aufgestanden waren, das ist lächerlich!

Verglichen mit der Vergangenheit, hat die Zahl der Leute, die in die Kurve gehen zu- oder abgenommen?

Ich würde sagen, dass außer bei den big games (Derbys) die Atmosphäre dramatisch eingebrochen ist, seit Vereine, Polizei und Polizei angefangen haben, gegen den Hooliganismus im englischen Fußball vorzugehen. Ich bin der Meinung, dass viele Clubs die Hooligans als Entschuldigung genommen haben, um größere Bereiche des Stadions als Sponsoren- oder Familienblocks zu deklarieren und dafür Fans loszuwerden, die über Jahre viele Kilometer zurückgelegt haben, um ihr Team zu unterstützen. Es gibt aber auch Clubs wie Crystal Palace, die einen „Ultrà“-Block für Fans unterstützt haben, die singen wollen. Und es ist keine Überraschung, dass eine mittelmäßige Mannschaft wie Crystal Palace diese Saison in die Premier League aufgestiegen ist, deren Support ist großartig.

In Italien gibt es die sehr umstrittene Tessera del Tifoso. Und in England…

Nein, ich habe davon noch nie etwas gehört und nachdem ich nachgeschlagen habe, was das überhaupt ist, muss ich sagen, dass ich es hassen würde, etwas ähnliches in England zu sehen. Die behandeln uns schon schlecht genug, wie es ist.

Gibt es Einschränkungen für Auwärtsziele?

Ja. Vor kurzem haben wir im FA Cup gegen Sheffield Utd. gespielt und obwohl alle 5.500 uns zugewiesenen Tickets ausverkauft waren, weigerten die Vereine sich auf Anweisung der Polizei, uns weitere Kartenkontingents zur Verfügung zu stellen.

Gibt es Stadionverbote? Und wenn ja, von welcher Instanz werden diese Verbote ausgesprochen, Sportveranstaltungen zu besuchen (Polizei, Gerichte…)?

Ja, das gibt es. Bei uns heißt das „football banning order“, diese Stadionverbote werden von einem Gericht nach Verurteilung wegen einem fußballbezogenen Vergehen ausgespochen, nach einer Klage seitens des „Crown Prosecution Service“ oder der lokalen Polizeibehörde. Stadionverbote dauern zwischen 3 und 10 Jahren, eine Übertretung gilt als Straftat und zieht bis zu 6 Monaten Haftstrafe nach sich.

Welchen Stellenwert hat Politik, heute, in den englischen Kurven?

Ich würde sagen, dass Politik für einen englischen Fußballfan nicht relevant ist. Politiker distanzieren sich von Fußballthemen und mir fallen nur ein paar Politiker ein, die überhaupt offen über ihr Team sprechen. Wir bei Forest unterstützen alle dieselbe Mannschaft und Politik ist überhaupt kein Thema.

Rassismus in englischen Kurven? Wahrheit oder Quatsch?

Vor 30 Jahren Wahrheit. Heute größtenteils eine Erfindung der Zeitungen, die sich begierig auf jede Kleinigkeit stürzen. Rassistische Gesänge werden von den Vereinen und einer sehr großen Mehrheit der Fans nicht toleriert, das hat keinen Platz im englischen Fußball. Und nachdem ich viele Jahre lang Forest bei Heim- und Auswärtsspielen gefolgt bin, kann ich mich an keinen einzigen rassistischen Gesang erinnern.

Die italienischen Ultràs aktuell. Eure Einschätzung.

Zu ihnen schaute ich, um zu lernen, wie man seine Mannschaft unterstützt, ihre Pyro-Shows und Banner waren wirklich herausragend. Heute scheint es, als hätten die osteuropäischen und wahrscheinlich auch die deutschen Szenen sie überholt.

Wie sieht euer Verhältnis zu englischen Journalisten aus?

Journalisten sind nur daran interessiert, ihren eigenen Namen zu promoten und sind ständig auf der Jagd nach negativen Episoden, die sich vielleicht während eines Spiels zutragen. Ich schaue nur noch sehr selten in eine Zeitung, es gibt viele Fans, die in Blogs oder Foren einen viel realistischeren Eindruck von dem verschaffen, was im englischen Fußball passiert.

Um den Fußball zu verbessern, was würdet ihr – als Fans – tun?

Die Einführung von Stehplatzbereichen für Heim- und Auswärtsfans würde über Nacht zu einer deutlichen Verbesserung der Stimmung führen und die Ultràs und sangesfreudigen Fans jedes Vereins würden sofort dorthin umziehen. Außerdem würden unzufriedene Fans wieder zurück ins Stadion kommen. Und es ist einfach lächerlich, dass es mir nicht mehr erlaubt ist, bei einem Fußballspiel zu stehen! Viele englische Fans denken so und sogar große Clubs wie Aston Villa und Manchester Utd. prüfen die Möglichkeiten der Wiedereinführung von Stehbereichen.

Die Möglichkeit, als Ultrà zu supporten. Welches Modell aus Serie A, Liga, Premier und Bundesliga haltet ihr im Moment für am besten?

Mit großem Abstand die Bundesliga! Billigere Karten, Massen von Fans in sicheren Stehplatzblöcken, Bierverkauf im Stadion, Platz für Ultràs und Banner. Die Deutschen erinnern uns glaube ich daran, warum wir alle diesen Sport so lieben.

Letzte Frage, in Italien gibt es das Instrument der „territorialen Diskriminierung“ und deswegen wurden Kurven gesperrt. Gibt es eine ähnliche Regelung auch in England? Gab es Kurvenschließungen auch in England? Weswegen?

Vor kurzem gab es die Drohung von Stadionverboten gegen Fans, die homophobe Lieder gegen Brighton-Fans gesungen haben. Brighton ist eine Gegend mit einer überdurchschnittlich großen gay community und man hat ein paar Gesänge viel zu ernst genommen, die für mich einfach lustiges Auf den Arm nehmen ohne jede Beleidigungen oder Schimpfworte waren. Vor unserer letzten Begegnung mit ihnen gab es eine offizielle Erklärung der Polizei, das solche Gesänge nicht toleriert würden. Die eliminieren wirklich jeden Spaß im Fußball.

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