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Domenico Mungo und Giovanni Adami zum Zustand der Ultras in Italien

Während der Dreharbeiten für die Arte-Dokumentation „Kampf um die Kurve“ haben wir noch viele andere Menschen getroffen, gesprochen, interviewt und gefilmt. Wie immer schaffen es nicht alle Aufnahmen in einen solchen Film, aus dramaturgischen, inhaltlichen oder etchnischen Gründen, vor allem aber, weil die Zeit fehlt oder das Zielpublikum das Falsche ist. Folgendes Gespräch zwischen dem Fiorentina-Ultrà Domenico Mungo und dem bekannten Fananwalt Giovanni Adami zum Zustand der italienischen Fankultur, die Tessera del Tifoso, Stadionverbote, Artikel 9 und einen Ausblick in die Zukunft möchte ich euch nicht vorenthalten.

Domenico Mungo: Okay, lieber Herr Anwalt, guten Tag. Giovanni Adami ist in Italien einer der größten Experten und auch bei den italienischen Ultras sehr bekannt in Bezug auf die Bestimmungen hinsichtlich der Ultra-Gesetzgebung. Wir haben in Italien jetzt schon seit einigen Jahren in dieser Hinsicht eine Besonderheit. Es ist eine der wenigen europäischen, wenn nicht globalen Rechtsstrukturen, die ad-hoc-Gesetze zur Verdrängung oder immerhin Einschränkung der Ultras in ihren verschiedenen Ausprägungen vorsehen. Könntest du uns kurz die wichtigsten Punkte erklären, welche Strafen in Italien für Ultras verhängt werden und uns eine juristische Definition geben, worum es sich beim „Stadionverbot“ genau handelt.

Giovanni Adami: Sicher. Die Strafen werden natürlich vom Gericht verhängt, ob die Straftat im Stadion verübt wird oder in anderen Teilen der Stadt oder bei irgendeiner anderen Situation. Die Besonderheit ist aber, dass wir sehr viel schwerere Strafen haben, wenn die Straftat im Stadion ausgeübt wird. Wirft man unter der Woche auf der Piazza Benefica hier in Turin eine Flasche, bekommt man vielleicht eine Geldbuße von 300 Euro. Wirft man im Stadion eine Flasche, riskiert man eine Haftstrafe von einem Jahr mit oder ohne Bewährung. Obwohl es sich um die gleiche Tat handelt. Es wird deutlich, dass eine Ungleichbehandlung des gleichen Verhaltens stattfindet, wenn dieses innerhalb oder außerhalb eines Stadions an den Tag gelegt wird, also in der Nähe eines Fußballspiels oder nicht.

Über die Strafen hinaus, gibt es eine Sache, die von den Ultras als sehr schlimm und frustrierend angesehen wird, nämlich den „Daspo“, was so viel bedeutet wie Stadionverbot. Der Polizeipräsident verhängt diesen unmittelbar nach einem Fußballspiel auf der Grundlage von Fotos oder Berichten von Polizisten. Derjenige muss sich dann für ein Jahr oder maximal sogar acht Jahre von Stadion fernhalten.

In schlimmeren Fällen gibt es auch die Möglichkeit, dass er bei jedem Fußballspiel seiner Lieblingsmannschaft auf dem Polizeipräsidium eine Unterschrift leisten muss, bei Freundschaftsspielen, Coppa Italia, UEFA-Cup, Champions League und italienischer Liga, also 40 bis 50 Mal im Jahr. Und auch mehrmals während eines Spiels. Es kann sein, dass jemand von der ersten bis zur 90. Minute auf dem Präsidium bleiben muss.

Dieser Aspekt wird von den Ultras als besonders schmerzlich empfunden, viel schlimmer als eine eventuelle Strafe, die im Gerichtsverfahren verhängt wird. Es gibt nur wenige Möglichkeiten, dem zu entgehen. In dem Moment, in dem jemandem ein „Daspo“ auferlegt wird, bleiben ihm nur ganz bestimmte Revisionswege, die sehr schwierig sein können.

In den meisten Fällen läuft es also so: Jemand erhält drei Jahre Stadionverbot, dann kommt der Strafprozess, bei dem die Zeugen angehört und Fotos gesichtet werden. In einem Großteil der Fälle kommt es zum Freispruch. Der Anwalt wird dann gefragt: „Ich habe drei Jahre verbüßt, drei Jahre meinen Verein nicht gesehen, Juventus, FC Turin, etc., und jetzt sprechen sie mich frei? Wer ersetzt mir die drei Jahre, die sie mich vom Stadion ferngehalten haben?“

Das sind große Probleme. Wir Anwälte setzen uns schon länger dafür ein, dass ein Daspo nicht vom Polizeipräsidenten verhängt wird, sondern vom Gericht nach einer genaueren Untersuchung des Falls, wenn auch im Schnellverfahren, aber einer ernsthaften Überprüfung der Beweise. Das ist ein weiterer Kampf, den wir in der Hoffnung führen, dass es Ergebnisse geben wird.

Leider – das erlaube ich mir zu sagen – ist auch Artikel 9 des Gesetzes 41 aus dem Jahr 2007 eine weitere schreckliche, meiner Meinung nach freiheitsfeindliche Erfindung. Es besagt, dass wenn jemand sich im Stadion gesetzeswidrig verhält, beispielsweise eine Rauchbombe wirft…

Domenico Mungo: Entschuldige, dass ich dich unterbreche. Allein die Tatsache reicht, dass die Sitzplätze nicht respektiert werden…

Giovanni Adami: Wir hatten solche Fälle in Turin, sie liefen glücklicherweise gut, wir haben die Berufung gewonnen und es stehen weitere an. Nehmen wir an, jemand zündet eine Rauchbombe am Tag, an dem seine Mannschaft den Meistertitel holt zum Feiern. Er wird mit einem dreijährigen Daspo belegt, dann kommt der Prozess und er wird vielleicht zu drei Jahren verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt werden. Nichts besonders Schlimmes also.

An diesem Punkt greift Artikel 9 des Gesetzes 41 von 2007. Für weitere fünf Jahre darf derjenige nicht ins Stadion bei Spielen der ersten, zweiten und dritten Liga. Also verkaufen die Stadien namensgebundene Tickets. Für die ursprüngliche Tat, das Zünden einer Rauchbombe bei der Meisterfeier bekommt er also drei Jahre Stadionverbot und darf für weitere fünf Jahre keine Spiele z. B. von Juventus sehen. Das ist völlig verrückt. Wir setzen all unsere Mittel ein, um diese Regelung abzuschaffen.

Domenico Mungo: Das sind in der Tat Gesetze, die gegen jede Logik des Rechts verstoßen, praktisch vom römischen Recht bis in unsere Zeit. Man erhält eine Strafe von einer Behörde, die eigentlich gar keine Strafen verhängen sollte, denn der Polizeipräsident oder Präfekt, wer auch immer bei der Polizei, hat andere Aufgaben bezüglich der öffentlichen Ordnung als das Verhängen von Strafen.

Domenico Mungo: Wie du schon gesagt hast: Auf jeden Fall wird eine Strafe verbüßt, unabhängig von der verübten Straftat und ihrer Schwere. Artikel 9 sieht außerdem eine Wiederholung der Strafe vor, was im Widerspruch mit dem Rechtsstaat steht.

Giovanni Adami: Ich beanstande nicht die Bestimmungen für Stadien in anderen Ländern Europas. Auch sie haben mit Sicherheit sehr schwere Strafen. Aber diese doppelte Strafe, dieser Versuch den Täter vom Stadion fernzuhalten, ich sage nicht auf Lebenszeit… aber drei plus fünf Jahre – da kehrt er ins Stadion zurück, wenn er das Rentenalter erreicht hat. Ich glaube, das ist wirklich eine Besonderheit, eine negative Eigenheit Italiens.

Domenico Mungo: Wir haben unsere Vorstellung, wir, die mit den Ultras verkehren, sei es als aktive Ultras, als Beobachter oder Gelehrte, Wissenschaftler, etc. Aber gibt es von Seiten der Exekutive den expliziten Willen – wie soll ich sagen – die Aktivitäten der Ultras auf jeden Fall zu stigmatisieren? Denn wenn diese spezifischen ad-hoc-Gesetze, die in diese Richtung gehen – also man kann Revision einlegen, aber die Zeitzahmen der italienischen Justiz werden geradezu biblisch – haben sie deiner Meinung nach auch ein ideologisches Ziel, darauf bezogen, zwingend eine Bewegung wie die der Ultras zu unterbinden, wobei es sich ja um eine antisystemische Bewegung handelt, wie auch immer man sie sieht.

Giovanni Adami: Ihr Konzept ist, das haben wir schon öfter gehört: Wir wollen Familien in den Stadien. Ich bin der Erste, der dem zustimmt. Ich selbst bin als Kind mit meinem Vater ins Stadion gegangen: Bozen gegen Udinese, 2:3 in der dritten Liga, als ich wahrscheinlich erst drei Jahre alt war. Das ist eine sehr lehrreiche Sache und eine Erfahrung fürs Leben, das stimmt. Wenn man Familien ins Stadion bringt, bedeutet das aber nicht, dass man den gesunden Teil der Ultra-Fans komplett verbieten muss. Auch sie sind von grundlegender Bedeutung für alle Spielklassen des italienischen Fußballs.
Dass Familien in den Stadien sind, ist also um Gotteswillen korrekt. Deswegen muss man jedoch nicht systematisch die gesamte Ultra-Welt abschaffen. Das wäre ein großer Verlust. Der italienische Fußball – daran müssen wir immer denken – wäre ohne Ultras nicht mehr derselbe.

Domenico Mungo: Doch das ist es, was sie bewirken, sei es mit der Erhöhung der Ticketpreise…

Giovanni Adami: Nein, das muss ich korrigieren. Das bewirken sie nicht. Ich war dieses Jahr trotz meines Alters und all meiner Verpflichtungen auf sieben Auswärtsspielen von Udinese Calcio, aber ich bin nie versucht zu sagen: „Wie schön war es früher.“ „Wie schön war die Ultra-Welt früher.“ „Heute ist alles nicht mehr wie früher.“ Erinnert euch daran, dass die Welt der italienischen Ultras den Kampf gegen Stadionverbote, Geldstrafen und restriktive Gefängnisstrafen dank des großen Einsatzes vieler Anwälten mit großer Würde erduldet.

So wurde der Kampf gegen den „Fan-Ausweis“ gewonnen. Dieses Instrument wurde 2008 vorgesehen, um den Aktivitäten der Ultras ein Ende zu setzen. Am 2. August 2017 hat die italienische Regierung sozusagen ihre eigene Niederlage erklärt und die Idee nach unzähligen Protesten aufgegeben. Ich war auf 77 Konferenzen in ebenso vielen Städten, um zu erklären, was das Problem ist. Der Fan-Ausweis „Tessera del Tifoso“ wurde fallen gelassen. Jetzt kämpfen wir weiter gegen den Artikel 9.

Ich will damit also sagen, dass die Welt der Ultras nicht in die Knie gezwungen ist, sie lässt nicht nach, sie ist nicht rückläufig, sondern hat unglaubliche Prüfungen überstanden. Den Beweis hat die Ultra-Welt geliefert, als der Polizist, der auf Gabriele Sandri geschossen hat, verurteilt wurde. In dieser Phase gab es eine Geschlossenheit der Interessen, Einheit zwischen allen Fanclubs, unabhängig von Farbe oder politischer Zugehörigkeit, die um diese außergewöhnliche Familie von Gabriele Sandri zusammengerückt sind.

In der Vergangenheit wäre all das nicht möglich gewesen. Dank Videos, Internet und Massenmedien gibt es heute einen Resonanzkörper für solche Dinge. Ihr müsst jedoch wissen, dass sich die Welt der Ultras für eine Sache der Gerechtigkeit aufgestellt hat, nicht gegen Spaccarotella oder die Polizei, sondern für die Justiz und eine gerechte Strafe für eine Straftat, nämlich Mord. Das waren Prüfungen, die meiner Meinung nach – und ich mag ein Romantiker sein – die Welt der Ultras gestärkt haben.

Domenico Mungo: Zu deinen Ausführungen fallen mir zwei Dinge ein. Erstens: Die Diskussion um die Tessera del Tifoso klingt mittlerweile wirklich uralt, aber wir haben in den letzten Jahren dieses erklärte Scheitern selbst miterlebt. Man kann sagen, es war in jederlei Hinsicht ein Scheitern. Wir erinnern uns an intern gespaltene Fanclubs, an entgegengesetzte Fronten zwischen Fans, die sich gegenseitig beleidigen. Das Ziel war, sie zu spalten, um sie zu beherrschen. Innerhalb dieses Zusammenhalts der Ultra-Bewegung, vor allem nach den Ereignissen des 11. November, als Gabriele erschossen wurde, die diesen Zusammenhalt ausgelöst haben, gab es also dennoch einen weiteren Versuch, diesen Zusammenhalt zu durchbrechen, nämlich mit der Tessera del Tifoso. Über die Notwenigkeit der sozialen Kontrolle hinaus steckte dahinter meiner Meinung auch die Notwendigkeit oder der Wille, die Welt der Ultras zu zerstören.

Und zweitens ist das, was du von dem Zusammenhalt und der Enthüllung der Wahrheit im Sandri-Fall erzählst, meiner Meinung nach eine Art Prolog, damit Licht oder Medienaufmerksamkeit auf andere Fälle des Machtmissbrauchs fällt. Denken wir an Federico Aldrovandi oder andere Fälle, Stefano Cucchi… Diese Medienaufmerksamkeit nicht für die Polizei, sondern für die Ungerechtigkeit, und den Machtmissbrauch, den die Ordnungskräfte manchmal an den Tag legen, beweist meiner Meinung nach auch, dass wenn die Ultra-Bewegung beschließt, rational zu denken – unabhängig von Differenzen, Zugehörigkeit, Traditionen und Identität – sie im modernen Fußball und dieser modernen Gesellschaft, bestimmte Ebenen der Massenkommunikation erreichen kann.

Giovanni Adami: Ich bin voll und ganz einverstanden. Ich versuche, ein Beispiel zu geben. Auf den Titelseiten unserer Tageszeitungen gibt es am Tag des Römer Stadtderbys, etc. immer eine Titelseite mit einem Foto der Fankurve oder von feiernden Fans. Das hat besondere Aufmerksamkeit. Auch die Massenmedien, das Internet, alle brauchen die Ultras im Stadion.

Ich bin Anwalt, ich muss nicht heucheln, deshalb sage ich: Wer einen Fehler macht, muss bezahlen. Es gibt das Gesetz, es gibt richtig und falsch. Wer sich falsch verhält, muss dafür geradestehen. Als Anwalt wäre ich aber glücklich über Bedingungen, in denen man sich auf liberal rechtsstaatliche und möglichst korrekte Weise verteidigen kann.

Domenico Mungo: Ansonsten wird der Ultra zum Bürger zweiter Klasse.

Giovanni Adami: Ja, wenn du dich ein paar Jahre zurück erinnerst: 2005 gab es die Kampagne „Freier Bürger? Nein, Ultra.“…

Domenico Mungo: Stimmt. An dieser Stelle können wir also wirklich sagen, dass wir die Ultras in diesen Tagen schon aus vielen Perspektiven erlebt haben: Militanz, Politik, Zwischenfälle aller Art, aber es fand auch eine Neubewertung der Identität im positiven und konstruktiven Sinn statt. Ultra zu sein hat auch positive Werte. Ich würde sogar sagen, sie überwiegen. Denn das ist die einzige italienische Jugendbewegung, die es geschafft hat, 50 Jahre zu überdauern, indem sie wie ein Chamäleon ihre Haut verändert hat. Wie du gesagt hast: Ihre Organisation und die Welt der Ultras hat es geschafft, mit dem Wandel der Gesellschaft Schritt zu halten, auch mit den Veränderungen des Sicherheitssystems ihnen gegenüber. Zum Überleben mussten neue Antikörper gefunden werden. Also…

Giovanni Adami: Entschuldige, dass ich dich unterbreche. Man muss bedenken, was es bedeutet, drei oder vier Jahre nicht auf Auswärtsspiele zu dürfen. Sieh dir an, was die Fans von Sampdoria, Atalanta, Cavese und Ternana lange gemacht haben. Vielleicht habe ich andere Gruppen vergessen. Sie erbringen große Opfer. Ein junger Kerl von 20, 21, 22 Jahren hat seine Mannschaft vielleicht noch nie auf ein Auswärtsspiel begleiten dürfen. Trotzdem war ihr Verhalten grundlegend im Kampf um die Tessera. Der Fan-Ausweis wollte verhindern, dass Ultras auf Auswärtsspiele fahren. Das ist eine Tatsache.

Es schien unmöglich, dass man heute um fünf vor drei ein Ticket für den Fanblock der Gastmannschaft kaufen kann. Das ist heute wieder Normalität. Man muss keine Bankkarte vorweisen, der Datenschutz wird nicht verletzt, nichts dergleichen. Wir sind wieder an diesen Punkt zurückgekehrt wie es früher war.

Domenico Mungo: Was meiner Meinung nach – über die zahlreichen Diskussionen zum Thema soziale Kontrolle, Sicherheit etc. hinaus – hinter der Tessera del Tifoso steckte, war in jedem Fall auch ein weitere Vorstellung des Fußballs als Business, des modernen Fußballs. Das Unterzeichnen von Bankfonds, das unwissende Unterzeichnen von Karten, die mit einem ganzen Konsumenten-Kreislauf verbunden sind, von der Autobahnraststätte bis hin zu allen Partnerorganisationen der Verwaltung des Observatoriums für Stadionsicherheit, verleitet mich zu dieser Ansicht.

Erscheint aus deiner Sicht, der Sicht eines Anwalts, also ein Instrument wie das „Osservatorio Nazionale sulle Manifestazioni Sportive“, wie es in Italien geführt wird, manchmal auch irrational und unlogisch? Denn man verbietet die Besuche von Auswärtsspielen bei seit 40 Jahren miteinandere befreundeten Vereinen …

Giovanni Adami: Wie in Parma-Sampdoria. Das galt immer als Beispiel. Alles in allem glaube ich, dass man hier Personen mit einer bestimmten Kultur und bestimmten Kenntnissen der Materie braucht. Es ist verrückt, zu denken, dass verpartnerte Gruppen in der gegebenen Situation Probleme öffentlicher Ordnung verursachen können, so dass man mit Dekret des Präfekten reagieren muss, um den Verkauf von Tickets, das Fahren auf Auswärtsspiele etc. zu verbieten, oder Ähnliches.

Wir haben das Observatorium und beobachten aufmerksam seine Arbeit. Mittlerweile hat sich die Anzahl der Verbote für Auswärtsspiele glücklicherweise stark reduziert.

Domenico Mungo: Wir kommen langsam zum Schluss unseres kurzen, aber wie immer sehr interessanten Gesprächs. Wir sind noch relativ jung und blicken mit großer Hoffnung in die Zukunft. Kann man in Italien deiner Meinung nach für die organisierten Gruppen in eine hoffnungsvolle Zukunft blicken? Oder zumindest mit einem konstruktiveren Blick als es im Nebel der Vergangenheit der Fall war?

Giovanni Adami: Ich meine, wir sehen sehr positive Signale in dieser Hinsicht. Wenn die jungen Leute mitmachen und die Gruppen in den Städten es verstehen, wieder wie in den 80er Jahren Sammelbecken für Jugendliche außerhalb der Schulen zu werden – wenn wir zurückblicken, war das in den 80er und 90er Jahren so – dann haben wir eine Zukunft. Ich glaube, dass es in Italien und in ganz Europa ohne organisierte Fans und Ultras keinen Fußball geben kann. Wenn hinter geschlossenen Türen gespielt wird, in abgesperrten Stadien, dann merken sowohl die Fans auf den billigen Plätzen als auch die bürgerlichen auf der Tribüne, dass etwas fehlt. So sieht es aus. Ich habe also große Zuversicht und große Hoffnung.

Domenico Mungo: Die teile ich mit dir. Vielen Dank.

Giovanni Adami: Ich danke dir.

Domenico Mungo: Du hast mir von dieser Geschichte mit den Jungs in Turin erzählt… Ich habe dich gefragt, weil sowohl Paolo als auch Daniele gute Freunde von mir sind. Daniele arbeitet mit Paolo in der Anwaltskanzlei zusammen. Ich bin Fan des AC Fiorentina und wir hatten kürzlich das gleiche Problem: 20 Stadionverbote, also 19 plus jemanden, der für eine Prügelei mit einem Römer unter anderem in Santa Croce am Vorabend eines Spiels verantwortlich war.

Das ist, als würden wir beide über den Verkehr diskutieren, und dafür ein SV bekommen. Und Freunde, die in unserer Nähe sind, kriegen eins, weil sie meine Freunde sind. Diese Sache ist doch eine Monstrosität. In Florenz erleben wir es so…

Giovanni Adami: Am Sonntag, am Weihnachtstag rief mich Paolo an und erzählte mir von seinem Problem sagte: „Bitte hilf mir, wir müssen bis morgen ein Schreiben aufsetzen.“ Ich habe das Mittagessen und alles sausen lassen und mich an die Arbeit gemacht. Er musste auf eine Reise nach Afrika. Wir haben es eingereicht und sie haben die Unterschriftspflicht aufgehoben. Dann haben wir gemeinsam die Revision vorbereitet. Er hat sich darum gekümmert. Er musste aussagen und alles lief bestens.

Domenico Mungo: Die meisten dieser Jungs der „Curva Primavera“ sind gute Freunde von mir, Freunde von uns aus der Gruppe. Sie waren also alle sehr froh, das haben sie mir gesagt, denn in diesem Fall haben wir wirklich etwas erreicht.

Giovanni Adami: Man müsste einen Weg finden, diese Geschichte in Deutschland zu erzählen. Dass jemand hier fünf Jahre Unterschriftspflicht bekommt, nur weil er sich zwei Sonntage nicht auf Platz 37 gesetzt hat.

Domenico Mungo: In einem der vorigen Interviews habe ich das angesprochen.

Giovanni Adami: Ja, das hast du. So gelangen wir auf eine Ebene…

Domenico Mungo: Wir haben in Florenz ein paar Jungs, die für das berühmte Finale im Olympiastadion in Rom gegen Neapel Stadionverbot bekommen haben.

Giovanni Adami: Klar.

Domenico Mungo: Also ganz unabhängig vom Fall De Santis etc. Denn unter der Brücke Milvio haben wir uns mit den Fans von Neapel geprügelt. Für eine Drohung mit einem Gürtel bekamen Jungs, die damals 22 oder 23 Jahre alt waren, acht Jahre. Erst mit 32 oder 33 dürfen sie wieder ins Stadion.

Giovanni Adami: Dann sind sie verheiratet, haben Familie und kleine Kinder.

Domenico Mungo: … und haben das Beste ihres Ultra-Lebens verpasst.