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Plastikzettel sind kein Verbrechen!

Letzten Sonntag stieg in der italienischen Serie A das Spiel AS Roma gegen Lecce. Nicht gerade ein hitziges Derby, keine besondere Rivalität und um die Meisterschaft geht es auch nicht. Sogar die gleichen Vereinsfarben teilt man sich. Aber die Fans des Hauptstadtclubs tauchten die ganze Kurve in eine Choreografie, die aus tausenden farbiger Zettel eine riesige Fahne in den Vereinsfarben entstehen ließ. Darunter ein Spruchband: „Mai Schiavi del Risultato!!!“ Normale Administration im Mutterland der Ultra-Bewegung, sollte man meinen. Eine in Gelb und Rot getauchte Kurve und ein Spruch, der ausdrücken soll, dass die Leidenschaft der Romanisti nicht vom Ergebnis abhängt. Die Zeiten sind grau für italienische Ultras und so ließ es sich auch der Verein selbst nicht nehmen, die Choreo auf der Homepage zu würdigen und sich mit der Leidenschaft seiner Fans zu schmücken.

Aber solches Verhalten darf natürlich nicht ohne weiteres toleriert werden und so wurden ca. drei Dutzend Roma-Fans vor dem Spiel aus der Menge gefischt und zu sage und schreibe 172 Euro Geldstrafe verdonnert. Weil sie jeweils einen farbigen Zettel dabei hatten: weiß, rot oder gelb. Klingt komisch? Ist aber gängige Praxis in Italien. Denn seit der Verschärfung der Normen zum Ein- und Anbringen von Material in italienische Fußballstadien vom 08.03.2007 kann nicht einfach jeder dort Zettel hochhalten, wie es ihm beliebt.

Jede Choreografie, jedes Spruchband und jede Fahne, die mehr aufweisen, als nur die Farben und eine bestimmte Größe übersteigen, müssen bei den entsprechenden für die öffentliche Ordnung und Sicherheit zuständigen Behörden schriftlich beantragt werden. Man legt also mindestens 7 Tage vor dem Spieltag einen schriftlichen formellen Antrag mit genauer Spezifikation und fotografischer Dokumentation des Materials beim Verein vor, der schickt das an das zuständige Polizeipräsidium und die geben innerhalb von 5 Tagen ihre Entscheidung wiederum dem Verein bekannt, der den beantragenden Fans dann Ort und Zeit bekanntgibt, wie das Material ins Stadion gebracht werden darf – und nach dem Spiel wieder heraus. Nun könnte man meinen, dass es länger braucht, als zwei Tage, um eine Choreografie vorzubereiten und eine eventuelle Ablehnung die Arbeit von Wochen zunichte machen könnte. Aber das alles selbstverständlich im Namen der Gewaltbekämpfung, nicht dass man hier an Schikane denkt.

Die lokale Polizeidienststelle prüft den Antrag auf Inhalt, verwendete Materialien, Ort und Weise der Anbringung, Entflammbarkeit, Ausstellungszeiten und natürlich die Antragsteller selbst. Sollte sich in der den Antrag stellenden Gruppe beispielsweise ein Stadionverbotler befinden (oder auch nur jemand, der in den letzten Jahren schon einmal ein Stadionverbot hatte), dann ist eine Genehmigung natürlich ausgeschlossen. Völlig unabhängig, ob die betreffenden Personen mit Choreo, Fahne oder Banner etwas zu tun haben oder auch nur im Stadion sind. Eine Gruppe, deren Mitglied bereits ein Stadionverbot hatte, darf nichts mit ins Stadion nehmen. Also streng genommen niemand.

Das bedeutet natürlich, dass es legale Choreografien oder Banner gar nicht geben kann. Und so entspinnt sich jedes Wochenende ein Katz-und-Maus-Spiel zwischen Ultras und Ordnungspersonal um trotzdem die Kurve irgendwie bunt zu gestalten. Megaphone, Trommeln, Pyrotechnik und so weiter sind natürlich sowieso verboten. Und so auch am vergangenen Sonntag: Nachdem die Römer Curva Sud entschieden hatte, sich in Gelb-Rot zu gewanden, wurden unter der Woche tausende bunter Plastikzettel vorbereitet. Weil unter den oben skizzierten Bedingungen eine Genehmigung natürlich ausgeschlossen war entschied man sich, dass jeder seinen Zettel einzeln mit ins Stadion bringen sollte. Das Material wurde also vor dem Stadion verteilt und die Fans brachten die Zettel einzeln ins Stadion.

Leider sind nicht alle unbehelligt in die Spielstätte gekommen und die ca. 30 unglücklichen Fans, die ihr Täfelchen unter der Jacke verborgen hatten, wurden zur Polizeiwache im Olympiastadion verbracht und wegen Missachtung der Stadionnutzungsbedingungen die Personalien aufgenommen. Und eben zu den besagten 172 Euro Strafe verurteilt. MyRoma, eine Vereinigung von Aktionären sagte den betroffenen Fans rechtliche Hilfe zu und Fananwalt Lorenzo Contucci präzisiert: „Wir sind bereit, bei der Präfektur Widerspruch einzulegen. Wer die Normen zum zweiten mal verletzt, wird mit 2 Jahren und 2 Monaten Stadionverbot belegt. Und auf der Grundlage der Normen könnte ich Stadionverbot bekommen, weil ich zum zweiten mal ein Stück Papier auf die Erde geworfen habe. Dann gibt es noch einen herausstechenden Fakt: in Rom wurden, bis heute, die einzigen Strafen gegen die Jungs verhängt, die versucht haben, Spruchbänder gegen die Fankarte Tessera del Tifoso hineinzubringen. Sehr gezielte Strafen würde ich sagen…“

Fassen wir es zusammen: In Italien reicht es, einen einfarbigen Zettel unter der Jacke ins Stadion bringen zu wollen, um Stadionverbot und eine saftige Strafzahlung zu riskieren. Selbst wenn man nur vor hatte, die jahrzehntealten grauen Betonblöcke wenigstens mit den Vereinsfarben aufzuwerten. Rot und Gelb haben im „Olimpico“ in Rom nichts zu suchen. Gut, dass man das weiß, da fühlt man sich gleich sicherer.

3 Antworten auf „Plastikzettel sind kein Verbrechen!“

Plastikzettel sind kein Verbrechen!…

Vor dem Spiel AS Roma gegen Lecce wurden ca. 3 Dutzend Roma-Fans zu 172 Euro Geldstrafe verurteilt, weil sie einen Plastikzettel für die Choreo dabei hatten. Es wurden ca. drei Dutzend Roma-Fans vor dem Spiel aus der Menge gefischt und zur Geldstrafe v…