Ein paar hundert serbischer Fanatiker ist alles, was es braucht, um das EM-Qualifikationsspiel Italien gegen Serbien zu kippen. Und das ganze Geschwafel von Stadionsicherheit zu demaskieren. Dass das Spiel gestern abend kein einfaches werden würde, war vermutlich jedem bekannt, der ab und zu mal eine Zeitung aufschlägt oder einen Internet-Anschluss besitzt. Was da allerdings gestern knapp 2 Stunden lang auf dem Staatsfernsehen RAI zu sehen war, erschreckte dann aber doch: Serbische Ultra-Nationalisten möchten einen Spielabbruch erzwingen und erreichen ihr Ziel, ohne auf nennenswerte Gegenwehr zu stoßen. Haarsträubende Ignoranz, mangelnde Vorbereitung, inkonsequentes Handeln und Angst, im europäischen Fernsehen blöd dazustehen, treffen auf ein paar hundert serbische Gewalttäter, die demonstrieren, dass man in italienischen Stadien halt doch anstellen kann, was man will. Wenn denn die richtigen Voraussetzungen bestehen.
http://www.youtube.com/watch?v=3DBZN886ZwA
Insofern handelt es sich um ein Desaster mit Ansage. Same procedure as every year. Noch im Kurzzeitgedächtnis sind die brutalen Überfälle derselben Gestalten auf die Belgrader Gay Pride-Demonstration und nicht lange muss man blättern, um von erstochenen, durch Pistolenschüsse verletzten oder durch Bengalos abgefackelte Fans und Ordner im serbischen Fußball zu lesen. Und trotzdem schaffen es ungefähr 2000 Serben, ausgewähltes pyrotechnisches Material, Messer und was sonst noch in ihren Block zu schaffen. Nachdem (wohlgemerkt: nachdem!) die serbischen Ultrà s bereits vor dem Spiel den serbischen Mannschaftsbus überfallen, eine Rauchbombe gezündet und den Torwart Stojkovic angegriffen haben. Nachdem man martialisch aufgemacht mit Bengalos durch Genua marschiert war. Trotzdem präsentieren sich Arkans Kinder mit drohender Geste im Marassi-Stadion, turnen stundenlang auf den Absperrungen herum, zerschneiden die Fangnetze und werfen Bengalos auf die umliegenden Blöcke bzw. das Spielfeld. Der Haufen „Celerini“ vor dem Eingangstor schaut dem Spektakel dabei zu. Vermutlich, weil man sich den Sturm des Sektors 6 vor laufenden Kameras nicht wagte.
Derweil wird das Geschehen von der geballten Prominenz italienischer Fußballexperten kommentiert, die sich natürlich nicht die Gelegenheit entgehen lassen wollen, auch ihre Dummheit kundzutun. So wird das vergebliche Bemühen des Teams um den Exil-Italiener Stankovic, die Geister zu beruhigen, indem man sich applaudierend und den 3-Finger-Gruß zeigend vor dem Auswärtsblock aufstellt, minutenlang und mehrfach so erklärt, dass die 3 abgespreizten Finger des „serbischen Grußes“ bedeuten würden, dass die Manschaft fürchtet, das Spiel würde am grünen Tisch als 0:3 Niederlage bewertet. Mehrfach wird die beliebte Phrase von den „50 Gewalttätern, die nichts mit dem Fußball zu tun haben“ gesabbelt. Echt jetzt? Hat dieser Haufen von rechtsextremen Ex-Bürgerkrieglern und Drogenhändlern nichts mit Fußball zu tun? Je nun, wenn die verantwortlichen Organisatoren genauso prächtig informiert waren, dann braucht man sich natürlich nicht zu wundern. FICG-Sicherheitsbeauftragter Roberto Massucci ist jedenfalls der Meinung:
„Man hatte uns über die Zahl der anreisenden Fans, nicht über ihre Gefährlichkeit informiert. Diese Leute hätten niemals einreisen dürfen.“
Während Ultrà s in Italien nicht mal Karten für den Auswärtsblock erwerben können, wenn sie sich nicht vorher prophylaktisch qua „Tessera del Tifoso“ erkennungsdienstlich behandeln lassen, wandern hier mehrere hundert Serben im Block mit Bengalos durch Genua, überfallen den Manschaftsbus und können trotzdem ungehindert ihr gesamtes Material ins Stadion bringen. In Italien, wo die Ordner sehr genau darauf achten, dass mein 10-jähriger Sohn doch bitte den Deckel von seiner Colaflasche abschraubt und ich schon Dutzende Feuerzeuge in die Abfalltonnen an der Einlaßkontrolle werfen musste. Genauso wie die ungefähr tausend Kinder verschiedener Fußballschulen gestern abend, die ihr Verpflegungspaket inklusive Tetrapak Tee nicht mit ins Stadion bringen durften. In Italien, wo man 3 Jahre Stadionverbot bekommt, wenn man ein Banner mit der Aufschrift „Uns ist das Fax kaputtgegangen“ aushängt, darf man wohl doch unter bestimmten Voraussetzungen die albanische Flagge verbrennen, „Kosovo ist Serbisch“ auf Banner sprühen und den Hitlergruß zeigen. In Italien, das sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit rühmt, wie ernst man es mit der Ordnung und Sicherheit in Fußballstadien meint und welch guten Dienst die „Helden in Uniform“ doch jeden Sonntag leisten.
Es war gestern eigentlich so wie immer: Man versucht, nach außen ein gutes Bild abzugeben und hofft ansonsten, alles würde schon irgendwie gut gehen. Blöd nur, wenn man anstatt der zum Staatsfeind Nr. 1 zurechtfabulierten Ultrà s plötzlich tatsächlich ernsthafte Gewalttäter vor sich hat, denen das Spiel tatsächlich egal ist. Rechtsextreme Gewalttäter, die ohne weitere Kontrollen durch Europa reisen können, die in Serbien genug angestellt haben, um europaweit die Alarmglocken klingeln zu lassen und die seit dem Krieg und der Bombardierung Belgrads sowieso noch eine Rechnung mit Italien offen haben. Trotzdem stehen UEFA, Ligavertreter, die Chefs der Polizeikräfte und die Stadion-Verantwortlichen ratlos herum, während der serbische Mob fröhlich Plexiglasscheiben bearbeitet, Papierbomben zündet, mit Bengalos um sich wirft, Signalraketen abfeuert, die Sicherheitsnetze zerschnippelt und derweil der Welt per Banner („Vaffanculo“), mit erhobenem rechten Arm (wahlweise mit Mittelfinger, 3 Fingern oder der ganzen Hand) Westeuropa im Allgemeinen und Italien im Besonderen zeigt, was man von ihnen hält.
Genua. Natürlich. Die Stadt, die uns schon die Ermordung Spagnolos, und den G8 samt Erstürmung der Diaz-Schule und die Erschießung Carlo Giulianis geschenkt hat. Genua, das sich selbst mit 3 Spielern von Sampdoria und einem von Genoa (Cassano, Pazzini, Palombo und Criscito) in der Startaufstellung selbst feiern wollte. Genua, das mit einer Schweigeminute den 4 unter der Woche in Afghanistan getöteten Soldaten gedenken wollte. Genua, das ein Spiel sehen wollte, in dem es eigentlich um die Qualifikation für das europäische Fußballfest 2012 gehen sollte. Genua hat demaskiert, dass man in Italien immer sehr konsequent ist, wenn es um die Beschneidung von Bürgerrechten unter dem Deckmäntelchen der öffentlichen Ordnung geht. Aber ernsthafte Probleme damit hat, wenn der Gegner nicht aus zu kinderfressenden Staatsfeinden zusammenideologisierten Ultrà s besteht, sondern aus vielleicht 50 bürgerkriegserprobten Leuten unter der Fahne des Tigers Arkan. Genua hat’s mal wieder nicht hinbekommen.
Oder wie es der Kollege Domenico Mungo so eloquent ausdrückt:
„Schwierig, so zu tun, als würde alles gut gehen, darauf zu bestehen, dass deine Regeln angemessen und wirkungsvoll und die italienischen Ultrà s allesamt Straftäter sind, wenn ein Besessener mit Kapuze und einer Kneifzange in der Hand ausreicht, um den ganzen Berg an Schlamperei, Oberflächlichkeit, Lügen und Heuchlerei zu übewinden, den ihr Ordnung nennt.“
Bilder vom Event:
36 Antworten auf „Italien gegen Serbien – Arm hoch und Hose runter“
[…] durch Steinwürfe seitens der heimischen Bad Blue Boys begannen die in ihrem Sektor isolierten serbischen Fans zunächst damit, Werbetafeln umzutreten und die Heimfans mit "Zagreb ist serbisch" […]
[…] Italien gegen Serbien – Arm hoch und Hose runter (5.462 Leser) […]
[…] Italien gegen Serbien – Arm hoch und Hose runter13.10. […]
[…] Italien gegen Serbien – Arm hoch und Hose runter13.10. […]
Laut TS wurden die Serben von der Drogenmafia in ihrem Land bezahlt.
Fehlt nur noch eine lupenreine Aufklärung der italienischen Seite.
Ja, hab ich auch wahrgenommen. Die lupenreine Aufklärung der italienischen Seite wird bestimmt gerade geschreddert.
typisch schlampige südländer. die haben nichts im griff! hoch verschuldete staaten die am tropf der EU hängen! der süden italiens verarmt total, die mafia macht was sie will. was erwartet ihr von den italienern? die sind halt so!
Maroni der Provakateur (siehe popolo viola) wird im TS wie folgt zitiert: "Eine Strafe von Seiten der UEFA würde mich enttäuschen, da ich nicht sehe, welche Verantwortung wir tragen sollten." Da hat sich wohl einer verplappert. Verantwortung hat er oder seine clique noch nie getragen. Merdarista!!!
Und Ivan sagt, er ist nicht politisch aktiv… wer spricht da für ihn?
kurzum: neue gesetze und bei bedarf zieht man die story wieder aus der mottenkiste.
Da waren echte Mörder und Kriegsverbrecher unterwegs. Da hat so ein Bulle oder Security-Mensch, der vielleicht 1.000 € im Monat mit nach Hause nimmt und davon eine Familie zu ernähren hat, keine große Lust, den Heldentod zu sterben.
Was richtig nervt ist diese Transferleistung in den Medien bei uns. Wir fahren am Sonntag nach Lautern. Vorher gibts natürlich ordentlich Ballyhoo, nicht immer geschmackssicher. Aber jetzt sind wir die Serben. So wird das Spiel jetzt schon von vornherein verkauft. *kotz*
Ja klar, gegen handelsübliche Ultràs zu knüppeln, aus sicherer Entfernung CS-Gasgranaten zu verballern oder einfach mal die Beretta zu ziehen, ist natürlich angenehmer. Kann man verstehen. Warum dann einfach nicht genügend Celerini aufbieten, hinter den Drehkreuzen postieren, alle auf die Erde und unter Zuhilfenahme von Metalldetektoren abtasten? Geht doch sonst auch ganz prima. Wenn schon, dann gleiches Unrecht für alle.
Was die Medien angeht: Glaub mal nicht, dass das in Italien nicht der Fall wäre.
Ich habe eine ganz einfache Vermutung:
Die hatten Schiss. Schnell mit denen in den Block, dann machen die wenigstens draußen nichts mehr kaputt und wenn die dann wieder raus wollen, holen wir von denen einen nach den anderen ab. Wenns die ganze Nacht dauert. So wars am Ende dann auch. Nur telegen war es ganz und gar nicht.
Du bist bei Samp mit den non-tesserati? Ich war mit den Doriani in Bremen. Die Tessera ist bei denen ganz großes Thema, spaltet extrem. Das ist ein Hebel, um Fankultur kaput zu machen. Das funktioniert.
Gib hier Deinen Text ein!
Genau!
@Arsenal: wusste nicht, dass es ein kindergeburtstag war.
@alle videos: das ist nicht die fratze des Staates (auch westlicher prägung), das ist das reale gesicht!
@verschwörung: propaganda tre lebt!
Fazit: 3 punkte für den gastgeber (haben ja gewonnen, siehe video von mace) und wenn maroni sich demnächst an seinen eiern rumspielt, dann wird es neue, härtere gesetze geben, damit man sich in sicherheit wiegen kann.
[…] “Stadiontoten”) macht sich seine Gedanken zu den Ereignissen in Genua beim “Spiel” Italien gegen Serbien. Der 12. Oktober war ja auch die Nagelprobe für das Lieblingsspielzeug des Herrn Minister Maroni. […]
[…] Italien gegen Serbien – Arm hoch und Hose runter13.10. […]
Ja, die Fragen stellen hier natürlich einige, die Antworten wird's aber nicht geben. Man stellt sich halt auf den Standpunkt, dass man "nicht informiert" wurde. Natürlich ist das Quatsch, weil JEDER wissen musste, was die Serben da für einen Mob mitbringen würden und nach den Vorfällen war ja auch klar, was los sein wird. Warum man sich nun nicht entschloss, normale Kontrollen durchzuführen und die Jungs mal machen lässt, werden wir nicht herausfinden können. Platz genug für Verschwörungstheorien.
Und hier nochmal das Arsenal der serbischen Freizeit-Guerilla.
Trotzdem immer gern gesehen:
😀
Das kommt mir alles sehr bekannt vor. http://www.youtube.com/watch?v=8IYyA3vEB7A
http://www.youtube.com/watch?v=5k-KaQp4cNk
Und das ist nach der Schlacht.
Hm, mein Video bezog sich auf kroatische Fussball-Raudis in Genua, nicht auf den G8-Gipfel. Kleiner Unterschied in der Rechtfertigung polizeilicher Gewalt.
Schau mal. Du hast darauf hingewiesen, dass du diesen Typ Fans in Genua schon kennst und ich, dass ich diesen Typ Bullen in Genua schon kenne. Ansonsten rechtfertigt hier niemand Polizeigewalt, glaube ich. 😉
Nachdem die UEFA Kameras dann aus waren nach dem Spiel, haben die Bullen mal angefangen "aufzuräumen". http://www.youtube.com/watch?v=65Z1StcWzEY
Die letzte Minute ist allerdings auch nicht gerade… fair… auf Leute einschlagen die die Hände hoch nehmen und sich ergeben.
Yup, sowohl S*Y als auch RAI sind halbwegs gleichzeitig vom Stadion weg und dann ging's los. Fairness würde ich von Celerini aus Genua jetzt aber auch grundsätzlich nicht erwarten…fair können die nicht.
Was genau sind "Celerini"? Sowas wie unsere SEK?
Kenn sonst nur die Carabinieri und die "normale Polizei" in Italien.
Kasernierte mobile Einsatzkommandos, die immer gern zum Saalschutz eingesetzt werden. Ja, mit SEK oder BGS vergleichbar.
2 Sachen noch:
Deutschland vs. Serbien in Berlin, mal sehen was passiert. Bei uns hat ja selbst Mitte-Links mitgebombt.
Ich gehe davon aus, dass beide Seiten (serbische Publikum und der "ita. Staat") ihre Vorteile aus dieser Aktion sehen.
Ansonsten wieder mal grazie tante, ich möchte etwas wissen über ein ereignis in Italien und wo finde ich die informationen…?
bitte bitte…nun, was die Vorteile angeht: nähmen wir einmal an, man hätte von den Spielabbruchs-Plänen gewusst und hätte aber den damit verbundenen 3:0-Sieg gegen einen schweren Gegner gern mitgenommen…nur so dahingesagt selbstverständlich!
Die wollten doch nur n bißchen spielen. Von wegen Kriegsveteranen und so, alles arme Schlucker von Dorf…
Sehr guter & wahrer Artikel, schick den doch mal an den Tagesspiegel und Co., damit die mal was ordentliches drucken!!!
Warst du auch im Stadion;)?
Nö, ich bin aber am Sonntag bei Samp-Fiorentina dabei. Im Block der "Non-Tesserati"…mal sehen, ob die Blauhelme da auch so brav sind. 🙂
[…] rund um die Polizei hinterfragen. Hier mal ein Blog dazu was alles schieflaufen kann: Italien gegen Serbien + […]
Höhpunkt: der Fahrradfahrer im repubblica.it – video 😉
mal ganz profan: alle sagen ja, dass es nur 50 "gewalttäter" waren, aber das drittgrößte land europas hat keine 200 mann einheit um sie zu stoppen? beim G8 waren ja einheiten wie zu besten zeiten da. wat is da mal wieder los im belpaese?
kontrolliertes chaos!
Roberto Massucci ist jedenfalls der Meinung: “Man hatte uns über die Zahl der anreisenden Fans, nicht über ihre Gefährlichkeit informiert. Diese Leute hätten niemals einreisen dürfen.”
Genau, hätte doch mal jemand was sagen können. 😀
weil sich die italienische polizei bei länderspielen stets zurückhält, im gegensatz zu den normalen spieltagen in italien. bei länderspielen will man keinen schlechten eindruck machen (ausser später dann draussen, wo sie sich ausgetobt haben), wäre ja eine schlechte werbung für das land.
Selbstverständlich. Das meinte ich mit dem Satz „Es war gestern eigentlich so wie immer: Man versucht, nach außen ein gutes Bild abzugeben und hofft ansonsten, alles würde schon irgendwie gut gehen.“ Mit Europas Fernsehkameras im Genick hatte man natürlich Angst – zumal in Genua, 2001 hat man ja international nicht totschweigen können – wieder mal als gewaltgeile Knüppeltruppe dazustehen. Bei Serie A-Spielen hat man da natürlich weniger Hemmungen.
Italien gegen Serbien – Arm hoch und Hose runter…
Ein paar hundert serbischer Fanatiker ist alles, was es braucht, um das EM-Qualifikationsspiel Italien gegen Serbien zu kippen. Und das ganze Geschwafel von Stadionsicherheit zu demaskieren. Schwierig, so zu tun, als würde alles gut gehen, darauf zu be…