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Die Camorra gibt den Takt an in der Kurve an!

Im Folgenden ein Gastbeitrag von Fubin. Meine Replik zum Thema gibt es hier zu lesen.

Ja, es ist eine recht provokante Überschrift, die oftmals Gerüchte widerspiegelt, die sich – sagen wir mal – hartnäckig rund ums San Paolo klammern. Ich als Schreiberling von diesem Exposé, las vor einigen Tagen einen Bericht auf www.tuttonapoli.net, der genau diese Thematik wieder ans berühmte Tageslicht bringen sollte. Dieser „Newsflash“ war dann – nicht nur – auf jedem neapolitanischen Portal zu lesen. Die Quelle dieser Meldung war der Corriere del Mezzogiorno.

Versuchen wir mal ein wenig Licht ins Dunkle zu bringen. Der Grund warum der Corriere del Mezzogiorno diese Story wieder „drucken ließ“, war die Aussage von Emiliano Zapata Misso. Neffe von Giuseppe Misso Gründer des gleichnamigen Familienclans, der seine Geschäfte im Rione Sanitá – historischen Zentrum von Neapel betreibt. Vor einigen Tagen gab er den Kronzeugen vor der Strafkammer, um über die Pianura-Proteste im Jahre 2008 auszusagen. Viele der Angeklagten die vor zwei Jahren gegen die Wiedereröffnung der im neapolitanischen Stadtteil liegenden Mülldeponie massiv demonstriert haben, sollen laut Misso Mitglieder verschiedener Ultra-Gruppierungen (N.I.S.S und Teste Matte) sein, die Sonntags das Stadio San Paolo frequentieren. In seinen Erzählungen erklärte er weiter, das er zwischen 2002 und 2006 die berühmt berüchtigte Curva A regelmäßig besucht hat. Sein Platz soll ganz in der Nähe der Mastiffs gewesen sein. Der Geständige plauderte weiter aus seinem Nähkästchen, „Der Zugang zur Kurve war damals nur Mitglieder der Masseria Cardone (Licciardi-Clan) und der Area Nord (Scissionisti) erlaubt! Niemand anders hatte Zugang“. Derjenige der es doch versucht hätte, wäre nach Worten Missos mit einem Sturz vom Oberrang belohnt worden! „Es gab interne Treffen um Zusammenstöße gegen andere Gruppierungen in ganz Italien zu planen. An solchen Versammlungen habe ich aber nie teilgenommen, ich wollte immer nur das Spiel sehen“ so der „Fussballfan“. Bereits 2007 hatte Misso durchsickern lassen wie die Camorra sich in die Struktur der Curva A
einbrachte, als sein Onkel Giuseppe die Masseria Cardone aus der Kurve verbannen ließ, weil es außerhalb Probleme zwischen den Misso und Licciardi gab. Die Masseria hat ihren Platz jetzt in der Curva B davor in den „Distinti“.

Starker Tobak der in den letzten Tagen rund um Neapel für Diskussionen gesorgt hat. Meiner Meinung nach lässt dieser Bericht einige Fragen offen. Natürlich wird jeder Gegner des Phänomens Ultrá sich bestätigt fühlen. Im Kontrast dazu, sollte sich jeder skeptischer Beobachter Gedanken machen, sich hinterfragen, ob das wirklich Sinn macht?
Die Camorra die Millionen(!) mit Drogenhandel und unerlaubtem entsorgen von Giftmüll macht, soll sich in das Gefüge einer hoch dekorierten Kurve eingebracht haben? Der Grund kann sich mich hierbei nicht erschließen. Die Ultra-Szene in Neapel gehört noch zu der sauberen Sorte in Italien.
Schwarze Schafe gibt es natürlich auch hier, diese gab es schon zu früheren Zeiten und wird es immer geben! Wie gesagt denkt man genauer über diese Causa nach, fehlt die Logik. Warum sollten sich mehrere wirtschaftskriminelle Clans in dieser Szene einbringen. Der Profit wäre im Gegensatz zu anderen „Business“ Peanuts.
Mit welchem Handel wäre so ein „Kurvengeschäft“ lukrativ?
Der legendäre Kartenhandel, den Gennaro Montuori früher bekannt als Palummella und Capo der Curva B und heute Journalist betrieben hat. Als er in den 80-er Jahren für einen sogenannten „Pass“ 100.000 Lire pro Person kassierte und die Menschen ohne Karte in die damals legendäre „B“ schleuste? Mit der Tessera del Tifoso ist so ein Geschäft heuer nicht machbar! Zumindest nicht im großen Stil, da die Kontrollen an den famosen tornelli antiviolenza immer noch katastrophal sind, wurde jetzt nochmals von strisca la notizia auf die Bildschirme der italienischen Wohnzimmer gebracht.
Ein Monopol auf Fanartikel? Kaum vorstellbar, da die Stände in Fuorigrotta nur noch eine Handvoll sind. Kein Vergleich zu den Zeiten, als Maradona noch das hellblaue Trikot trug. Abgesehen davon sind in den Fanbereichen des Stadions Fanartikel eher Mangelware.
Wer nun denkt, das so ein Platz mit vielen Menschen aus verschieden sozialen Schichten ein genialer Platz für den Verkauf von Drogen ist, täuscht sich. Mittlerweile sind alle Bereiche im Stadion mit Kameras ausgestattet. Was für einen Drogendealer verkauft sein Teufelszeug wohl wissend dabei gefilmt zu werden? Damit behaupte ich nicht das die Kurven – in aller Welt – frei von Drogen sind, aber ein Verkauf im Stile Tony Montanas ist absolut unrealistisch.
Dass der eine oder andere Besucher, Fan oder Ultrá, in damit in Verbindung steht, ist durchaus möglich, das wird sich in der Hauptstadt Kampaniens nicht vermeiden lassen.
Auch dass man jetzt nach Missos Angaben eine „Autorisation“ bekommen muss, um in die Curva A zu gelangen, stimmt so nicht! Ich war selber oft genug Vor Ort und ich musste nie durch so eine Kontrolle. Konsequenz im positiven Sinne ist, dass ich auch noch keinen Sturz vom Oberrang hinter mir habe. Das einzige, was man beachten muss in der Kurve, sind die Plätze, die für die diversen Gruppierungen bestimmt sind, die es allerdings in jedem Stadion der Welt gibt. Mit den Jahren nimmt eben jeder sein eigenes Areal ein.
Die Ultras hingegen wehren sich mit aller Gewalt gegen diese Vorwürfe und weisen in diesem besonderen Fall darauf hin, dass einem Beschuldigten und Geständigen ohnehin nicht alles zu glauben ist, schließlich ist dieser in einer fast ausweglosen Situation. Die Staatsanwaltschaft hat sich ebenfalls nach diesen Aussagen nicht dazu geäußert.
Die Frage, die ich mir stelle ist, warum eine bekannte Zeitung so ein Thema druckt? Eine klare Antwort ist ja schon alleine wegen der Pressefreiheit nicht möglich, aber einen Sinn ergibt es nicht.
Die Ultra-Bewegung – die nach der Einführung der Tessera enger zusammengerückt ist – mit solch Notizen an den Pranger stellen zu wollen, zudem gesagt von jemand, der bestimmt nicht mit einen Heiligenschein durch die Gegend schlendert, ist für mich ein sehr zweifelhafter Journalismus!

Fubin

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