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Derby in Mailand und kein Derby in der Toskana

Am Wochenende ist Derby. Ja, Inter gegen Milan ist auch ein Derby, aber da geht es ja um nichts und interessiert folglich nur die Allesgucker. Ich meine das viel verhasstere toskanische Derby zwischen Livorno und Pisa. Die BAVA hat schon letzte Woche darauf hingewiesen, dass das Auwärtsfahrtverbot für die Livornesi nicht eben auf Begeisterung stösst und ein Statement der Curva veröffentlicht und heute Abend um 18.15 wird es endlich die angekündigte Demonstration der ausgesperrten Tifosi geben. Soweit so unspektakulär, die Schließung von Auswärtskurven ist ja – Derby hin oder her – leider gängige Praxis der CASMS in Italien und natürlich regen sich hier und da auch Proteste. Neu und für mich völlig unerwartet ist allerdings die Reaktion der Pisani, der aufs Blut verhassten Erzfeinde:

Die Tifosi aus Pisa haben sich nämlich entschlossen, es den weinroten Fans aus der Arbeiterstadt gleichzutun und ihrerseits einen „Solidaritätsstreik“ auszurufen: Auch die Pisani werden der Arena Garibaldi fernbleiben und sich das Spiel stattdessen am Radio außerhalb des Geländes anhören, ein entsprechendes Comuniquè hat die Curva Nord Pisa heute veröffentlicht.

Che razza di derby è un Pisa- Livorno con sole 7000 persone e senza tifoseria ospite?
Was für ein Derby soll das denn sein mit 7000 Leuten im Stadion und ohne Gästefans?

Ein Akt der Solidarität mit den Fans der A.S. Livorno gegen die Entscheidung der Präfektur. Vor dem Stadion wird eine Lautsprecheranlage eingerichtet und Bier ausgeschenkt. Wie uns nun auch La Repubblica mitteilt, wird es kein geschlossenes Eintrittsverbot geben, sondern es ist jedem Fan freigestellt, ins Stadion zu gehen oder sich an der Aktion der organisierten Fans zu beteiligen. Es wird lediglich darum gebeten, Gesänge und Rufe gegen Livorno zu unterlassen. Angesichts der Zustände bei vergangenen Derbys ein geradezu unglaublicher Vorgang – Roberto Maroni hat ein Wunder vollbracht! Oder wie die Fans aus Pisa es ausdrücken:

Che derby è senza avversari? Non è giusto negare ai tifosi del Livorno la partita di sabato. La gara è riservata agli abbonati? Noi lo siamo, tutti, ma quel giorno verrebbe voglia di strapparlo, l’abbonamento„.
Was für ein Derby ist das ohne Gegner? Es ist nicht recht, den Fans aus Livorno das Spiel am Samstag zu verwerhen. Das Spiel steht nur den Abonnenten offen? Das sind wir, alle, aber an so einem Tag überfällt einen der Wunsch, sie zu zerreissen, die Dauerkarte.

Es gibt wichtigeres als Fußball und die damit zusammenhängenden Freund- und Feindschaften. Ich finde die Aktion der Pisani schön, hoffnungsvoll, solidarisch und ganz nebenbei führt sie die Entscheidungen der italienischen Staatsmacht gegen Fußballfans ad absurdum. Denn ganz so groß kann der Hass ja wohl nicht sein, wenn man sich in dieser Weise mit einem Gegner solidarisiert, der vor lauter Gefahrenabwehr nicht ins Stadion gelassen wird. Schauen wir mal, was draus wird.

Einstweilen wiederholt sich die Geschichte aus letztem August:

Senza tifosi e colore questo è il derby della repressione.
Ohne Fans und Farben ist dies das Derby der Repression.

Eine schöne fotografische Demonstration der damaligen Aktionen gibt es bei den Boys Parma…

10 Antworten auf „Derby in Mailand und kein Derby in der Toskana“

Hehe, ich sehe, Du und Dein Sohnemann entdeckt Euer schwarz-gelbes Herz. Wat war denn beim Derby los…?

Och nüscht. Ein paar blauschwarze haben vom 1. Rang aus am Striscione gezupft und ein paar von unseren sind runtergegangen, um ihn sich wiederzuholen. Nichtangriffspakt besteht weiter, es gibt hier nichts zu sehen!

Und Bremen ist sowas von langweilig…

ich bin echt sehr erfreut, daß die pisani so reagiert haben. dies ist eventuell wirklich eine möglichkeit rivalitäten sinnvoller – nämlich mit choereos, gesängen, fahnen, demos usw. – als mit dümmlichen überfällen zu pflegen. respekt für diese aktion.

nicht vergessen werden darf aber, daß die livornesi beim hinspiel in livorno genauso reagierten. die curva hat sich ähnlich geäußert wie die pisani jetzt (siehe link)

die kurve blieb weitestgehend leer. die amaranto tifosi blieben draußen, hinter ihrer kurve & haben gesungen. es muß echt eine groteske situation gewesen sein, denn die fans waren zu hören, aber nicht zu sehen (hier ein video zur aktion: http://www.youtube.com/watch?v=O0rUDs7ZZiY).

Nun, es ist ein Zeichen von Intelligenz zu erkennen, dass die um sich greifenden Eingriffe in die Bewegungsfreiheit von Fans das ganze Ökosystem gefährden und nicht etwa nur Regeländerungen fürs Spiel darstellen. Vor diesem Hintergrund sind solche Solidarisierungen natürlich extrem sinnvoll: Es geht nämlich schon lange nicht mehr darum, wer hier gegen wen was rufen oder werfen darf, mittlerweile steht das Stadion als Ort für Gegenkultur und relativer Freiheit zur Debatte.

Ich will jetzt nicht wieder damit anfangen, wie extrem undemokratisch hier argumentiert und gehandelt wird, aber was ein Stadion sein wird, wenn die Ultràs als Gralshüter eines irgendwie bunten und freien Fußballs erst einmal abgeschafft sind, werden das alle Fans zu spüren bekommen, nicht nur die Kurve. England ist mir hier ein drohendes Beispiel.

Äußerst beeindruckend und eine mehr als schöne Geste der Pisani. Gut, dass ich mir wegen des Hinspiels schon vorgenommen hatte, den Weg nach Pisa nicht auf mich zu nehmen.

Forza Pisa!

Derby in Mailand und kein Derby in der Toskana…

Am Wochenende findet eines der feurigsten Derbys in Italien Stadt, dem zwischen Pisa und Livorno. Wie zu erwarten wurde den Livornesi der Zutritt zum Stadion verwehrt, überhaupt werden nur Dauerkarteninhaber ins Stadion gelassen. Nun macht aber die Ku…