Es war sicher ein tiefer Einschnitt in unser Verständnis von Fußball, als ein österreichischer Brausekonzern seinerzeit die Austria in Salzburg übernahm und kurzerhand Namen, Logo und Vereinsfarben wechselte. Kaum vorzustellen aber, wenn sie stattdessen in Salzburg einen zweiten Verein mit demselben Logo und denselben Farben platziert hätten. In meiner Heimatstadt Verbania ist genau dies passiert. Eine Provinzposse.
Fußball wird im kleinen Städtchen am Lago Maggiore wie überall in Italien mit großer Begeisterung gespielt und verfolgt. Ein gutes Dutzend mehr und meist weniger erfolgreicher Klubs existiert in der Stadt, höchster Ausdruck des lokalen Fußballbetriebs waren von 1959 bis 2016 die im „Stadio dei Pini“ ausgetragenen Spiele der Società Sportiva Dilettantistica Verbania Calcio 1959. Man ging ins Stadion, um „Verbania“ spielen zu sehen, besonders in den 90er Jahren sorgten auch die „Ultras Verbania“ für Rauch und Choreografien im beschaulichen Stadion.
Wie so oft im italienischen Fußball verschleiert die Jahreszahl nur eine sehr komplexe Geschichte, finanzielle Sorgen begleiten den Fußball auch in dieser beschaulichen nordpiemontesischen Ecke des Landes. 2013/14 begann die sportliche Krise, die ihren Höhepunkt in der Saison 2015/16 fand, als die Stadt dem Verein die Nutzung des lokalen Stadions untersagte und die Heimspiele im nahegelegenen Dörfchen Ornavasso ausgetragen wurden. Man hatte weder Miete noch Gärtner noch sonst besonders viel bezahlt oder in Ordnung gehalten. Landesweit berühmt wird der Club, als das TV-Programm „Le Iene“ Zulieferer und Angestellte des Vereins von Präsident Enrico Montani zu seiner Zahlungsmoral befragte. Herr Montani wird später in dieser Geschichte noch eine Rolle spielen. Die Saison wird auf dem 16. Platz der „Promozione Piemonte-Valle d’Aosta“ beendet und der Verein schreibt sich nicht mehr für die drittletzte Spielklasse ein. Das Logo bleibt vakant.
An deren Stelle tritt die Associazione Sportiva Dilettantistica Calcio Virtus Verbania, die bis dahin als Virtus Cusio bekannt war, und das sportliche Erbe des Vereins fortführen soll. Präsident des Vereins ist Luigi Pedretti, der die Geschicke des originalen Vereins bereits von 1995-98 führte. Mittlerweile reklamieren gleich vier Vereine das Stadion für sich, neben dem ASDC Verbania auch Inter Farmaci Verbania, Sinergy Verbania e Accademia Calcio Verbania. Der ASDC schreibt sich in die Serie D ein, wird von der Stadtverwaltung unterstützt und darf im Stadion spielen, steigt aber am Ende der Saison im PlayOut in die „Eccellenza“ ab. Immerhin aber mit dem zweithöchsten Zuschauerschnitt der Liga, in Verbania ging man wieder zu „Verbania Calcio“ Fußball gucken.
So weit, so normal. Nun gab es in der Region neben dutzenden weiteren Vereinen auch einen weithin unbekannten Betriebssportverein namens A.S.D. Inter Farmaci in der untersten italienischen Spielklasse „Terza Categoria“. Bis das italienische Pharmaunternehmen mit Schweizer Wurzeln beschließt, sein reichlich vorhandenes Geld in den Amateursport zu stecken. Der Club wird auf dem Transfermarkt aktiv und zahlt Gehälter, ein Umstand, der in den untersten Amateurspielklassen nicht eben verbreitet ist. Vor allem zahlt man Gehälter, die in diesen Spielklassen nicht eben üblich sind. Drei Aufstiege in vier Spielzeiten krönen das Investment in das einstige Belegschaftsteam.
Um den Fußball in der Stadt auf solide Beine zu stellen und die Kräfte zu bündeln, wird über eine Fusion des ASDC Verbania und Inter Farmaci verhandelt. Erfolglos, denn Inter Farmaci hatte anderes vor. Man kontaktierte dort den Präsidenten des 2016 im Fernsehen lächerlich gemachten Clubs, Enrico Montani, und fragt die Nutzung von Logo und Farben an. Und erhält die Rechte. Wie auch immer. Vom Menschen, der den Laden 2016 beendet hat. Und man benennt sich bei der Gelegenheit flugs um in Associazione Sportiva Dilettantistica Città di Verbania. Und so hat das betuliche Städtchen am Lago Maggiore offiziell zwei Vereine mit denselben Farben und demselben Logo, der ASDC Verbania in „Eccellenza“ und das Vehikel von Inter Farmaci unter dem Namen ASD Città di Verbania in „Promozione“.
Eine typisch italienische Geschichte, in der Geld durchaus mehr zählt als sportliche Tradition. Falls jemand möchte, ist er oder sie herzlich eingeladen, ein Like beim ASDC Verbania auf Facebook zu hinterlassen.