Es ist jetzt praktisch ein Jahrzehnt vergangen, in dem ich die sinkenden Zuschauerzahlen der italienischen Serie A beklage. Die soeben begonnene Saison zeigt erste Anzeichen einer Wiederbelebung des Stadionbesuchs in der höchsten italienischen Spielklasse. Neben einem überzeugenden Transfermarkt sorgen wohl auch erste Entbürokratisierungen des Stadionbesuchs für einen leichten Aufwärtstrend. So können nach vorheriger Anmeldung nun wieder Megafone und Trommeln mitgebracht werden, dazu wird die ungeliebte „Tessera del Tifoso“ in den nächsten drei Jahren komplett abgeschafft. Unterm Strich haben die Vereine der Serie A Stand gestern mehr als 31.000 Dauerkarten mehr als in der Vorsaison verkauft. Wie die Gazzetta dello Sport berichtet, wurden 282.683 Dauerkarten abgesetzt, gegenüber den 251.895 der Saison 2016/17.
Ausgangspunkt sind die jährlichen 29.200 Dauerkarten von Leuten, die sich im gerade umbenannten „Allianz Stadium“ in Turin den siebten Titel in Folge für Juventus erwarten. Das ist das komplette Angebot im nur 41.000 Zuschauer fassenden Stadion und war am 19. August schon vergriffen. Gelegenheitsfans und Groundhopper können sich wie gehabt um die wenigen, teuren Restkarten balgen.
Bei Milan sorgten der Wiedereinzug in einen europäischen Pokalwettbewerb, der Besitzerwechsel und der damit verbundene Ausgabeboom am Transfermarkt bereits für eine Verdopplung der Jahresabonnements. Dauerkarten gibt es noch bis zum 14. September, bereits jetzt wurden die 16.441 des Vorjahres knapp auf 31.000 verdoppelt. Das sind zwar nur 40% des San Siro, aber mehr als Juve und ein ganz deutlicher Trendwechsel gegenüber den zehn Jahren vorher. Der andere Sino-Mailänder Verein hat zwar noch keine Zahlen veröffentlicht, Schätzungen gehen aber von einer ähnlichen Zahl aus, ein Zuwachs von 10%. Hier heißt der wichtigste Neuzugang Luciano Spalletti und trainierte bislang den Vorjahreszweiten AS Roma.
Bei Spallettis Ex-Club hat man den Abgang von Francesco Totti zu verkraften, konnte aber die 19.022 Abonnements sogar leicht steigern und hat die 20.000-Marke geknackt. Sicherlich hat hier auch die Entfernung der Blocktrennungen in den Fankurven und der beendete Streik der Curva Sud seinen Anteil. Die Roma verkauft auch noch bis nächste Woche Dauerkarten, so dass sich das Ergebnis noch verbessern kann. Der andere Mieter des „Olimpico“ in Rom hatte keine Chance, das Vorjahresergebnis zu unterbieten, als Präsident Lotito mit drei Spielern die 11 Fans persönlich besuchte, die ihre Dauerkarte am ersten Tag verlängert hatten. Die geschätzten 10.000 stellen für Lazio eine satte Verdopplung des Vorjahresergebnisses dar.
Neben Juventus hat auch Atalanta alle seine Dauerkarten bereits abgesetzt, 4.000 mehr als in der abgelaufenen Saison, als die Helden von Bergamo sich die Qualifikation für die Europa League sicherten. Für die Hopper bedeutet dies, dass 67,6% des – erstmals vereinseigenen – Stadions bereits ausverkauft sind, der Kartenkauf an der Stadionkasse wird in Bergamo nur in Ausnahmefällen möglich sein. Gleiches gilt für die nach vier Jahrzehnten wieder in der höchsten Spielklasse teilnehmende Spal: In Ferrara ist das Stadio Paolo Mazza bereits zu 62% ausverkauft, die Kapazität beträgt nur ganze 13.020 Plätze und das Ergebnis des Vorjahres in der Serie B wurde durch den Aufstieg bereits verdoppelt.
Beim Toro erwartet man sich eine Bestätigung der letzten Saison und peilt 12.000 Dauerkarten an, ebenso in Genua bei Sampdoria (16.000) und Genoa (18.000), in Bologna (13.000), Crotone und Chievo (beide ca. 7.000) und Napoli (knapp 6.000). In Florenz (17.000 immerhin) und Sassuolo läuft der Verkauf der Jahreskarten noch, aber besonders bei der Fiorentina erwartet man sich einen massiven Rückgang. Die Eigentümer der Fiorentina haben den Verein offiziell zum Verkauf gestellt und das spielerische Tafelsilber diesen Sommer verkauft und nur ungefähr die Hälfte der Einnahmen in Neuverpflichtungen gesteckt.
Kurzum, nach vielen Jahren kontinuierlichen Rückgangs tut sich etwas bei der Stadionauslastung in Italien, zumindest in der Serie A. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob es sich dabei um eine dauerhafte Gesundung handelt und nicht nur um ein transfermarktgetriebenes Strohfeuer. Wünschenswert wäre es.