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Freundschaftsspiel wegen rassistischer Affenlaute abgebrochen

Heute, am 3. Januar um 14.30 Uhr sollte in Busto Arsizio das Freundschaftsspiel Pro Patria gegen AC Milan stattfinden. Eins dieser Spiele, die man ansetzt, um den Trainingsalltag aufzulockern und in Stadien zu spielen, die sonst nicht mehr so oft erstklassigen Fußball zu sehen bekommen. Aurora Pro Patria 1919 spielt derzeit in der zweiten Division der Lega Pro, also der 4. Liga, und ein paar tausend Leute hatten sich an diesem Donnerstagnachmittag im ehrwürdigen Stadion Carlo Speroni eingefunden, um mal ein schönes Fußballspiel zu schauen. Leider auch ein kleines Grüppchen rassistischer Kurvenfans, deren Neuronen offenbar nur ausreichten, die Milan-Spieler Sulley Muntari, Kevin-Prince Boateng und Stephan El Shaarawy mit rassistischen Sprechchören und Affenlauten zu beleidigen. Dann das:

In der 26. Spielminuten nimmt Boateng den Ball auf und drischt ihn mit voller Kraft in Richtung Kurve. Danach dreht er sich um, zieht sein Trikot aus und verlässt den Platz in Richtung Umkleidekabine. Die komplette Mannschaft des AC Milan und die Offiziellen tun es ihm gleich und das Spiel wird zunächst unterbrochen. Ein Großteil der Tribünenbesucher applaudiert der Mannschaft des AC Milan, die das Spielfeld verlässt und pfeift seine eigene Kurve aus. Von Seiten der angrenzenden Gegengerade werden hitzige Wortgefechte mit dem kleinen Grüppchen Rassisten geführt. Obwohl die Mannschaft von Pro Patria noch versucht, ihre Kurve umzustimmen, entscheiden sich die Spieler des AC Milan, das Spiel nicht wieder aufzunehmen, sondern lieber zu einem anderen Zeitpunkt durchzuführen, „auch für die Mehrheit der Fans, die einen schönen Fußballnachmittag genießen wollten“.

Eine schöne Geste von Boateng und der gesamten Mannschaft des AC Milan, den Trainer Massimiliano Allegri so kommentiert:

Es war richtig, uns nach den rassistischen Sprechchören zurückzuziehen. Es tut uns leid, dass es zu diesen Dingen gekommen ist. Vor allem für die anderen Fans und die Kinder, die hier hergekommen sind, um einen schönen Tag zu erleben. Wir haben Pro Patria versprochen, dass wir für diese Personen wiederkommen werden. Es tut uns leid für die Spieler von Pro Patria und für den Verein, aber wir mussten ein deutliches Zeichen gegen solche Vorkommnisse setzen und hoffen, dass es als Beispiel für die oberen bis in die niederen Spielklassen gilt.

In einer offiziellen Verlautbarung nur wenige Minuten nach dem Spielabbruch verwendete der AC Milan diese deutlichen Worte:

An einem Punkt hat ganz Milan gesagt, „es reicht“. Wessen Herz dieselbe Farbe hat wie das von Boateng, Muntari und Niang konnte einfach nicht mehr und hat entschieden, dass es an der Zeit wäre diesen vier Blödmännern eine Lektion zu erteilen. Sie standen aufrecht in ihrer Dummheit, es war aber, als würden sie am Boden liegen.

Ich füge dem hinzu, dass ich es schade finde, dass nicht der Schiedsrichter das Spiel abgebrochen hatte, obwohl das Regelwerk des italienischen Fußballbetriebs durchaus zwingend vorschreibt, ein Spiel bei solchen Geschehnissen auf den Rängen zu unterbrechen. Leider wird dies nie getan, ob bei Juventus in der Serie A oder bei einem Freundschaftsspiel gegen eine Lega Pro-Mannschaft. An der Stelle wäre die sonst so raumgreifende Repression doch einmal sinnvoll eingesetzt, es ist ja nicht so, als hätten italienische Kurven noch irgendwelche Freiräume.

Danke Kevin-Prince. Danke, AC Milan. Und danke, Tribünenbesucher!

17 Antworten auf „Freundschaftsspiel wegen rassistischer Affenlaute abgebrochen“

hi, ich kann kaum glauben, dass das in italien so übel zur sache geht….in d land ist es ja verhältnismäßig ruhig! gut so.

Ich bin in einer Sache unterschiedlicher Meinung. Ich bin froh darüber, dass Boateng und sein Team das Spiel eigenständig abgebrochen haben und nicht der Schiedsrichter. So gehört es sich. Selbstbestimmtes Handeln zeigt doch viel deutlicher, wie ein gutes Gemeinwesen funktioniert und dass sich jeder Mensch zu verhalten hat, wenn es zu Ungerechtigkeiten kommt. Jeder Mensch hat eine soziale Verantwortung, dafür brauchen wir keine Authoritäten! Ein ideales Beispiel um sich dessen bewusst zu werden und vielleicht ein Anreiz für alle, beim nächsten mal ebenfalls selbstständig aktiv zu werden und immer solidarisch zu sein.

Prinzipiell und so rein persönlich stimme ich dir sogar zu. Es gibt aber in Italien gerade eine unsäglich dumme Reaktion in Richtung "ja, bei so einem Freundschaftsspiel ist es ja einfach, will ich mal in der Champions League sehen" bis hin zu "der soll sich nicht so haben". Diese Diskussion kann man ganz einfach beenden: Das Reglement sieht seit Jahren vor, dass der Schiri die Pflicht hat, das Spiel bei wiederholten rassistischen (usw.) Äußerungen des Publikums abzubrechen. Regelwerk, genau wie Abseits, Anzahl der Einwechselspieler und Platzgröße. Ende der Diskussion. Wenn das mal jemand anwenden würde, wäre die Thematisierung noch viel einfacher und ein Spieler müsste sich da nichtmal die verantwortung aufbürden. Bei Boateng habe ich keine Zweifel, dass er Eier in der Hose hat, bei anderen Spielern kann man das aber u.U. nicht verlangen. Aber wie gesagt, persönlich finde ich das genauso wie du.

Ich fand das auch gut. Wenigstens mal ein Zeichen, wenigstens müssen sie sich jetzt erstmal ein paar Tage mit dem Thema beschäftigen. Aber so wie ich die Politiker kenne, wird denen als Reaktion bestimmt noch was ganz beklopptes einfallen.

Danke Boateng für das deutliche Zeichen! Schande über den Schiedsrichter und den italienischen Fußballverband, dass man sich NIE dazu durchringen kann, einen Spielabbruch wegen Rassismus auszusprechen.