AC Milan SSC Napoli 1:0

Fotos und Videos am Ende des Spielberichts.

Am Sonntagabend stieg das Spitzenspiel des 10. Spieltages im Mailänder San Siro Stadion, beide Teams hatten sich offensichtlich Großes vorgenommen – Napoli wollte die hervorragende Form der letzten Wochen durch einen Befreiungsschlag gegen einen Titelfavoriten untermauern und auch Milan stand unter dem Druck, die Siegesserie nach dem verpatzten Saisonstart in eine Tabellenführung zu verwandeln. Samba gegen Tango, brasilianische Spielfreude gegen argentinisches Temperament, Erfahrung gegen jugendlichen Enthusiasmus, südlicher Stolz gegen nördliche Souveränität, arm gegen reich, kurzum: ein Spiel, das man so herrlich mit Bedeutungen weit jenseits des Spielfelds aufladen kann – die Wiedergeburt der großen Begegnungen aus den 80er Jahren. Auch wir vom MFB durften natürlich nicht fehlen, die Führungsspitze reiste mit Lufthansa aus Hamburg an, das Klatschvolk im Billigflieger aus Berlin. 😉 Nicht unerwähnt lassen will ich, dass sich Cali und die südosteuropäische Fraktion gemeinsam mit anderen Passagieren standhaft den Anordnungen des Mailänder Flughafenpersonals widersetzten und sich erfolgreich weigerten, mit einem „100 Jahre Inter“-Bus zum Terminal gefahren zu werden. Trotzdem blieben die Jungs friedlich und es kam zu keinerlei Beschädigungen am blauschwarzen Gefährt – der war ja auch schon genug verunstaltet.

Um es vorweg zu sagen: Es war ein hervorragendes Spiel, das die Rossoneri nach viereinhalb Jahren wieder an die Spitze der Serie A führte, ich kann nur Komplimente an alle Beteiligten aussprechen (Schieds- und Linienrichter mal ausgenommen). Carlo Ancellotti ließ im üblichen Tannenbaum-System beginnen mit Marco Boriello als einziger Spitze hinter Kakà und Seedorf. Reja vertraute einmal mehr auf sein 3-5-2 mit den beiden Stürmern Lavezzi und Denis und dem konstant hervorragenden slovakischen Talent Marek Hamsik im Mittelfeld. Neben letzterem stand auch Verteidiger Santacroce schon einmal bei Milan auf dem Zettel aber beide spielen wie bekannt eine gute Rolle beim wiedererwachten Traditionsteam aus dem Süden. Leider war dieses Spitzenspiel nicht ausverkauft, u.a. weil gegen die Napoli-Fans nach der Farce beim Derby in Rom ja ein Auswärtsfahrtverbot verhängt wurde. Mittlerweile hat sich ja herausgestellt, dass die von der Staatsmacht inszenierten Fakten sich zwar weitgehend in Luft aufgelöst hatten, die Sanktionen bleiben aber bestehen und so konnte sich keine Stimmung entwickeln, die dieses Spiels würdig gewesen wäre. Es waren zwar mehrere tausend Napoletaner im Stadion, allerdings verstreut und farblos. Schade, dieses Spiel hätte mehr verdient!

In der ersten Halbzeit merkt man beiden Teams gehörigen Respekt voreinander an, Sicherung des eigenen Mittelfelds hat höchste Priorität. Napoli verteidigt erstmal sicher gegen die geballte Mailänder Offensivstärke, aber auch der AC muss gehörig aufpassen auf die schnellen Vorstöße des argentinischen Supertalents Lavezzi. So dauert es dann aber auch eine Runde des Abtastens, bis sich erste Tormöglichkeiten ergeben. Der Napoletaner Blasi rettet in der 20. Minute einen Kopfball von Ambrosini auf der Linie, in der 25. prüft Lavezzi nach einem sehenswerten Solo Milans Torwart Abbiati mit einem fulminanten Linksschuß, den dieser nur mit Mühe wegfausten kann. Taktisch bleibt die erste Halbzeit weiterhin hochwertig und so bedarf es individueller Klasse, um Tormöglichkeiten zu erarbeiten. Erneut ist es Lavezzi, der in der 41. Minute Abbiati zur Parade drängt, der lässt nach vorn abprallen, von Boneras Knie rollt der Ball in Richtung Torlinie – der hinterhersprintende Verteidiger ist es selbst, der den Ball gerade noch ins Seitenaus schlagen kann. Sowieso Lavezzi: Bezeichnend für dessen überragende Qualität ist, dass selbst Weltfußballer Kakà in der 42. ein taktisches Foul bemühen muss, um den Argentinier zu stoppen und sich folgerichtig die gelbe Karte abholt. Spielentscheidend dann aber wohl die Herausstellung von Maggio, der sich für einen Einstieg gegen den durchgebrochenen Jankulovski völlig verdient die zweite gelbe Karte abholte und seinen Kollegen schonmal die Duschkabine anwärmen durfte. Erwähnenswert, dass Ambrosini und Ronaldinho für ähnliche Vergehen nicht bestraft wurden; wenn man mal die rotschwarze Brille abnimmt, dürfen wir uns über den Schiri wirklich nicht beschweren. Dessen Leistung war schlicht unterirdisch.

In der zweiten Halbzeit erhöht Milan gegen einen dezimierten Gegner den Druck und kommt zu zahlreichen Tormöglichkeiten. Reja bringt Verteidiger Aronica für Hamsik, um die Defensive zu stärken und verlegt sich auf schnelle Konter, vorangetrieben durch den unermüdlichen und pfeilschnellen Ezekiel Lavezzi. In Unterzahl und unter Aufgabe der üblichen Dreier-Verteidigung sieht sich Neapel allerdings daran gehindert, ihr typisches Flügelspiel aufzuziehen. Trotzdem hat Ronaldinho schon 4 Minuten nach Wiederanpfiff eine erste Möglichkeit: Annahme auf Halblinks mit der Brust und präziser Linksschuß, den der Mann des Abends, der napoletanische Torwart Iezzo, mit einer Großtat aus der Ecke fischt. Ancelotti bringt Alexandre Pato – der im Januar sein erstes Spiel in der Serie A gegen eben dieses Napoli mit einer Weltklasseleistung und einem Tor krönte – für Ambrosini. Alles nach vorn also und teilweise entwickelt sich auch ein wahres Powerplay auf den scheinbar unüberwindlichen Iezzo.

Für die Schlußphase kommt dann auf Seiten der Rossoneri noch der unauslöschliche Pippo Inzaghi für Borriello, Vorbereitungen für einen Schlußspurt, auch wenn sich viele im Stadion schon damit abgefunden hatten, dass die Tore wohl diesen Abend vernagelt bleiben würden. In der 28. Minute der zweiten Halbzeit reagiert der Schlußmann innerhalb einer Minute gleich mehrfach hervorragend gegen die aus allen Lagen schießenden Mailänder, bei Kakàs Hammer gegen den linken Innenpfosten hat er zudem noch das Glück des Tüchtigen. Zwei Minuten später schafft es Pato, einen Kopfball aus 1 m Entfernung neben das leere Tor zu setzen – eine Tormöglichkeit vom Typ „den mach ich auch rein„. 6 Minuten vor Schluß schenkt der unglaublich schlechte Schiedsrichter Rocchi den Rossoneri auch noch einen Elfmeter (Kakà schoß Pazienza aus ca. 1 m an die Hand, siehe Video unten), aber es war zunächst wie gehabt: Iezzo pariert Kakàs Schuß mit einem sehenswerten Flug im Übergreifen. Aus. Schluß. Vorbei. Noch 5 Minuten zu spielen und jetzt auch noch einen Elfer vergeben, von sowas erholt man sich nicht…

Außer man hat Ronaldinho im Spiel. Der im Vorfeld der Saison verlachte und kritisierte Schönspieler mit den großen Zähnen streichelt eine Minute später eine Freistoß von links auf den kurzen Pfosten – eine Flugbahn so schön, dass sich Vollblutstürmer Denis (Mittwoch mit Hattrick gegen Reggina) es sich einfach nicht nehmen lassen kann, diesen mit einem sehenswerten Kopfball ins Netz zu befördern. Nur leider ins eigene, darauf hatte auch Iezzo keine Antwort mehr. Abpfiff, Schluß, Sieg, Tabellenführung, um Jahre gealter, aber: Salutate la capolista!

Leider wurde das Spiel nach Abpfiff noch durch einige unschöne Szenen überschattet, als die publicitygeilen Rossoneri es sich nicht nehmen ließen, die friedlich auf dem Heimweg befindlichen MFBs massiv zu bedrängen und zu gemeinsamen Fotos zu zwingen. Vermutlich wollten sie ihren Spielerfrauen daheim mit den Erinnerungsfotos beweisen, dass tatsächlich Leute kommen, um ihre armseligen Darbietungen zu betrachten. Da unter uns auch Kinder waren, ist solch ein Verhalten den eigenen Fans gegenüber natürlich vollends unverständlich. An den unwürdigen Szenen in den Katakomben des Stadions nahmen selbst Scheidsrichter-Guru Collina und Spielerlegende Mauro Tassotti teil, da braucht man sich ja nicht wundern. Trotz „Einstufung als Risikopartie“: Die bösen bösen Napoletaner verhielten sich friedlich und lieferten sogar 3 Punkte ab, aber solche Szenen wollen wir in einem italienischen Stadion nicht mehr sehen:

Und so wars wirklich:

http://www.youtube.com/watch?v=t2kYNYTVCYc

Edy Reja und Ezequiel Ivan Lavezzi zum Schiri

http://www.youtube.com/watch?v=pjj8_CgKO9M