Eigentlich sollte an dieser Stelle ein schöner Artikel zu den Heroen des italienischen Ska-Punks „Banda Bassotti“ erscheinen, aber da die AKA das hier und hier schon viel ausführlicher und akribischer erledigt hat, als ich mir das jemals zugetraut hätte, weise ich an dieser Stelle nur angelegentlich auf die Godfathers des italienischen Ska with Attitude hin: Denn mir ist kürzlich eine Band aus Marghera (Veneto, Nordost-Italien) aufgefallen, die mit ihrem Album „Combat Circus“ nicht nur vom Titel her in die großen Fußstapfen der Dackelbande um Sänger Picchio zu treten scheinen. Der tiefe Nordosten des italienischen Stiefels scheint eine besonders fruchtbare Gegend für junge, enthusiastische Bands, die dem Protest und dem Unbehagen der Kinder der Konsumgeneration laut Ausdruck verleihen wollen, aber mit Talco scheint sich eine tatsächlich herausragende Formation gefunden zu haben, der das auch adäquat und höchst unterhaltsam gelingt. Und das schon seit 2001.
Talco machen also CombatSka, eine schnelle und fröhliche Mischung aus Ska und Punk; technisch deutlich sauberer gespielt – und vor allem besser gesungen – als die Banda Bassotti selbst, mit der sie zwar die politische Ausrichtung teilen, deren Status innerhalb der italienischen Linken sie sich aber natürlich noch erarbeiten müssen. Ich finde selbstverständlich wieder besonders schön die Folk-Einsprengsel, Versatzstücke aus der Sinti- und Roma-Kultur, flankiert von zirzensischen Elementen und – nicht zu vergessen – dem Liedgut der Resistenza (neben der obligatorischen Version des partisanischen Evergreens Bella Ciao wird die Melodie von „Fischia il Vento“ in “Il Passo Del Caciurdo“ verwoben). Anspieltipps sind das mitreissende „La Carovana“, mit dem „Combat Circus“ schnell und fröhlich eröffnet und das an die Modena City Ramblers („Banda del Sogno Interrotto“) erinnernde „La Sedia Vuota“. Wer mit Gogol Bordello, Mano Negra und Ska-p etwas anfangen kann, sollte sowieso keine Probleme mit Talco haben.
Insgesamt ist Talco für mich – man verzeihe mir meine bisherige Ignoranz – eine der spannenderen Neuentdeckungen auf dem italienischen Musikmarkt. Auch wenn die Band in Italien leider nur von wenigen wahrgenommen wird, die Musik mit politischer Aussage verwinden können, scheint sie sich in Deutschland bereits eine breitere Fangemeinde erspielt zu haben. Und so kommt es wohl auch, das ednett von schoenetoene schon im Mai drauf hingewiesen hatte, als ich noch Cockney Rejects hörte. Die Alben von Talco kann man glücklicherweise bei Jamendo kostenlos herunterladen (das neue noch nicht, man kann es sich aber auf der MySpace-Seite der Band anhören und einzelne Titel laden). Meine Empfehlung: Macht das, bringt den Spaß ins Autoradio, Fenster runter und die Lautstärke aufgedreht, bis die Lautsprecher anfangen zu klingeln. Idealer Soundtrack für die Anfahrt zum politisch korrekten Picknick im Berliner Umland! Ich wünschte, die deutsche Linke würde sich mal so unverkrampft, entspannt, fröhlich und tanzbar präsentieren.
Lotta e allegria, allegria e lotta!
Links
Talco: La Carovana
Talco: Tortuga
Talco: Signor Presidente
Talco: L’odore della Morte
I Talco sono un gruppo combat ska-punk fortemente antifascista e antirazzista, che crede nell’indipendenza della musica e nel messaggio che essa debba dare contro ogni discriminazione.
19 Antworten auf „Talco – Ska Punk aus Italien“
Stimme voll und ganz! Gute Musik!
hui hui hui
positiv überascht von dieser deiner seite ….
Talco is ne spitzenband hab die vor 2 jahren auf nem openair in nürnberg erlebt und hamm die bude gut gerockt …fackeln pogo menge am toben ….so wie mann es sich immer beim fussball wünscht und in deutschland nie haben wird ……naja ned jammern weiter machen …..gute bands wie ich finde sind auch noch „`Tennetz Columbo und Cervelli Stanki„wo bei erstere nimmer existiert und die 2.te mit neuer besatzung anfängt …aöso mal abwarten wie sie sich entwickeln ……aber des alte zeug taugt auf jedenfall …..gute Mucke findest auch immer wieder hier „ http://diffidati.blogsport.de„ feine sahne fischfilet könnt dir auch taugen 😉
kuss und gruss
[…] “Sud Sound System“, Marco Masini, die “Modena City Ramblers” oder “Talco” hier vor? Soll ich ehrlich sein? Keine […]
Was gerade läuft ……
Talco mit Radio Aut
Talco, wer ist das? Die italienische Band aus Marghera (Veneto, Nordost-Italien) kommt mit feinem CombatSka, also einer Mischung aus Punk und Ska um die linke Ecke. In Italien noch recht unbeachtet, erfreut sich die 7ner-Comb…
Großartige Band!
ich bin zufällig auf talco gestoßen und dabei9 auf die seite gekommen
und leider finde ich überhaupt nichts über die band! also wo und wann sie spielen
ich hab nämlich gehört, dass sie demnächst in altenmarkt im chiemgau (bayern) sein soll…
wie bekomm ich das raus?
Auf der oben verlinkten Myspace-Seite stehen doch die anstehenden Konzerte (rechts unter „prossimi spettacoli“)
[…] Weitere Infos zu Talco bei Altravita […]
[…] ist Talco mit Ska/Punk eigentlich ungenügend umschrieben. Mr. Altravita weist in seinem Beitrag auf die Folk-Einsprengsel, Versatzstücke aus der Sinti- und Roma-Kultur sowie zirzensische […]
Talco haben am Wochenende quasi in der Nachbarschaft auf nem kleinen Open Air gespielt – hab ich heute morgen in der Zeitung erfahren … (http://www.firlefanz-enkirch.de/fallig2008info/fallig2008info.htm)
Talco sind wirklich großartig, habe sie vor 2 Jahren entdeckt, als ein paar Italiener auf der mondiale antirazzisti ihre Musik hörten. Hoffe, sie bald mal live sehen zu können.
die dackelbande würde ich auch nur bedingt Skaband nennen. da is‘ sehr viel mehr punk drin. ska ist relativ neu für die dackelbande. und die ASI MI VIDA (oder so, war echt super) die VECCHI CANI BASTARDI ebenfalls. und live gehen die ordentlich ab. deshalb werden sie gemocht, denke ich. außerdem hat es natürlich, wie immer, auch ein wenig mit fußball zu tun … 🙂
Ja, Bands positionieren sich politisch klarer als in Deutschland, das habe ich nicht anders beobachtet. Sicherlich hängt das mit den Auftrittsorten für Garagenbands zusammen (hinzu kommen noch die Millionen von Festen im Juli und August, die ja auch von der einen oder anderen politischen Richtung organisiert werden), aber Italien ist auch generell politisierter. Im Land von Peppone und Don Camillo haben politische Streitgespräche im Alltag einen ganz anderen Stellenwert. Hinzu kommt eine jahrzehntelange starke Tradition politisch ambitionierter Singer & Songwriter, die auch das musikalische Klima bis heute prägen und beeinflussen (de Gregori, de Andrè, to name but a few…).
Aber ansonsten kann man sich mit dem Mehrheitsvotum in einer demokratie nicht sinnvoll anlegen: wenn die Zuhörer die BB stören würde, dann würden sie einfach nicht mehr zuhören. Ist ja nicht so, dass es keine Alternativen gäbe oder irgendjemand gezwungen würde…
wobei mögliche Revolutionäre doch bessere Musik als Banda Bassotti verdient hätten – zumal doch (soweit ich das aus der Ferne beurteilen kann) gerade in Italien viele Bands sich politisch eindeutiger positionieren als deutsche Bands – was wahrscheinlich daran liegt, dass viele italienische Gruppen ihre ersten Erfahrungen in den Centri Sociali gesammelt haben, die ja in der Vergangenheit wie Pilze aus dem Boden geschossen sind. Es ist halt ein Unterschied, ob man als Band ständig in autonomen Zentren spielt oder in den Jugendräumen der evangelischen Kirche…..
Weil die Banda Bassotti nicht nach ihrer Musik bewertet wird…wenn es immer rein puristisch um die Musik ginge, hätten wohl Billy Bragg, die Levellers und NMA auch mehr Erfolg in England gehabt. Seien wir also gnädig, wenn korrekte Einstellung auch mal einen positiven Effekt auf Bekanntheitsgrad und Wahrnehmung hat. Bei BB stimmt einfach das Gesamtkunstwerk für die Zielgruppe – ich glaube, die wenigsten würden ernsthaft behaupten, dass die auch eine der besten Bands wären.
Was den anglophilen Einheitsbrei angeht, so ist das so eindeutig nicht zu beantworten. Es handelt sich um ein Generationenproblem; während die ganz jungen von 14-20 tatsächlich mit demselben globalisierten Pamps aus der Musikindustrieretorte zugemüllt werden, sieht das bei dee Ü30-Generation dann doch deutlich anders aus. Man kann ja nun über Vasco Rossi, Ligabue und die Nomadi denken, was man will – ihre Stadien kriegen sie jedenfalls weiterhin problemlos voll. Dazu lass ich mich aber ein andernmal ausgiebiger aus…
schöner Bericht
Meines Erachtens haben die vielen italienischen Bands, die moderne Beats mit traditionellem Liedgut mischen, es inzwischen mehr als verdient, stärker von der musikinteressierten Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden – sowohl in Italien als auch in Resteuropa.
Das, was Gruppen wie Mau Mau, Aprés la Classe, Bandabardo, Chichimecca, Figli di Madre Ignota usw. an musikalischer Qualität so raushauen, ist aller Ehren wert.
Talco ist da schon fast eine positive Ausnahme, da sie wohl recht häufig durch Deutschland touren und sich daher hier bei interessierten Kreisen einen gewissen Namen gemacht haben.
Aber leider steht der Italiener an sich inzwischen auch eher auf den anglophilen Einheitsbrei und der gemeine Deutsche kennt als Soundtrack zu Italien nur Eros, Tiziano F. oder Frau Nannini.
Schade, aber wahrscheinlich kaum zu ändern.
Besonders ärgerlich finde ich ja, dass die schlechteste Ska-Band Italiens gleichzeitig auch die Bekannteste ist – warum alle Welt Banda Bassotti so klasse findet, ist mir ein absolutes Rätsel…….
hör dir mal amanecio, die neue platte von boikot an. die sind auch nich schlecht. zwar nich ganz so expressiv politisch, aber explizit antifaschistisch und musikalische guerilleros. hab mit denen ein interview gemacht. is‘ ziemlich gut.
die neue CD vereint punk, ska & osteuropa mucke. die platte is‘ zur zeit mein favorit. könnte dir vielleicht auch gefallen.
Ich find die auch richtig super, schade, dass sie hier in Italien kaum wahrgenommen werden. Vor allem find ich Talco musikalisch richtig überzeugend – die Rhythmusgruppe ist ebenso hyperschnell wie präzise (und ungewöhnlich, weil Punk-Gitarren sind das ja eigentlich nicht, siehe „l’odore della morte“), die Bläser sind überdurchschnittlich (siehe „11 settembre ’73“) und Dema kann zu allem Überfluss auch noch ein wenig singen.
Ernsthaft, so gefällt mir Ska: fröhlich, schnell, hüpfbar und mit klarer Aussage gegen Rassisten und anderen Faschodreck. Saucoole Linke, wo gibt’s denn sowas noch?
TALCO ist ech super. die bella ciao version von ihnen auf „combat circus“ is‘ echt super. die neue cd gibts übrigens hier.