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Die Tragödie von Salerno

Am 24. Mai 1999 kam es bei der Rückfahrt der Fans der Salernitana aus Piacenza durch einen Brand im Sonderzug zu einer furchtbaren Tragödie, bei der vier junge Menschen ihr Leben verloren. Danach wurden in Italien nie wieder Sonderzüge für Fußballfans eingesetzt. Giovanno Francesio beschreibt diese Episode und die Spur der Verwüstung in seinem Buch „Tifare Contro“ sehr detailliert, es sei jedem ans Herz gelegt. Ich begnüge mich, in Erinnerung an diese Tragödie einen kurzen Text eines damals anwesenden zu übersetzen – als Auswahl der zahlreichen Augenzeugenberichte zu diesem Tag, nach dem nichts wieder so werden sollte, wie es war:

NIE WIEDER 24. MAI — Piacenza
Letztes Saisonspiel im Stadio Garilli in Piacenza… Ein Spiel, das eine ganze Saison wert ist und an dessen Ende leider ein 1:1 steht, was für uns den Abstieg bedeutet… Für die Rückfahrt steht ein Sonderzug bereit… Er fährt um 20 Uhr am Bahnhof Piacenza ab… In einer sehr angespannten Atmosphäre wird der Zug mit Menschen vollgestopft, ohne dass genügend Beamte zur Verfügung stehen, um eventuellen Notfällen vorzubeugen… Die Reise verwandelt sich in ein schreckliches nächtliches Abenteuer, mit zerstörten Waggons und Bahnhöfen, die Kriegsschauplätzen gleichen… Alles beginnt am Bahnhof Bologna… Die Polizei hatte keine Zwischenhalts erlaubt und also wird hier das erste mal die Notbremse gezogen… In Bologna werden weitere 5 Waggons angehängt, aber die Wut hatte sich längst Bahn gebrochen…

Bahnhof Prato, Florenz, Rom Tiburtina… An jedem Halt neue Zwischenfälle, Verwüstungen, Kontrollen seitens der Bahnpolizei… Ein Albtraum… Unendliche Reise… Menschen, die wie Sardinen in den Gängen zusammengepfercht sind, viel zu viele für die bereitgestellten Wagen… Der Zug hat Neapel hinter sich gelassen und befindet sich auf der Höhe von Nocera Inferiore, wieder wird die Notbremse betätigt… Viele steigen aus und versuchen, den nächsten Bus zu nehmen, aber die Polizei lässt niemanden den Bahnhof verlassen… Um 8 Uhr morgens geht es endlich weiter, der Zug fährt in die Galleria Santa Lucia, Ortsteil von Cava dei Tirreni, und fährt durch den langen Tunnel… Plötzlich durchweht Brandgeruch die Abteile, der Rauch hüllt alle ein, Glas splittert, Menschen schreien…

Jemand hatte Feuer gelegt, um – nach ihren verdrehten Vorstellungen – die Polizei abzulenken, wenn man in Salerno eintrifft, um so die Identifizierungen zu umgehen… Am Tunnelausgang haben die Flammen bereits um sich gegriffen, die giftige Wolke sich ausgebreitet… Simone, der sich opferte, um anderen zu helfen, wird mit drei anderen vom Feuer eingeschlossen, Ciro, Peppe, Enzo…

Je mehr Zeit vergeht, umso stärker wird die Verbitterung, denn wer damals dabei war, weiß dass es jenseits der unzureichenden Anzahl von Polizisten und der schwerwiegenden Verantwortung derjenigen, die diese Auswärtsfahrt organisiert und uns wie Vieh in die Hänger getrieben hatten, noch etwas anderes gab… Alles Werk von 30 Leuten? Wenn das wirklich nur so wenige gewesen sein sollen, hätten sie es nie geschafft, einen Großteil des Zuges zu verwüsten: Man braucht gewaltige und wohl koordinierte Kräfte, um Waschbecken und Kloschüsseln aus ihren Verankerungen zu reißen, Gepäckträger abzubiegen und Abteiltüren herauszureißen. Noch weniger hätten sie mehrere Feuer gleichzeitig an verschiedenen Stellen des Zuges legen können, unter dem gleichgültigen Blick von 1470 Mitfahrern. Und das zählt nicht einmal, dass das Dutzend Polizisten, die im Zug anwesend waren, einem solchen Grüppchen sicher ganz leicht Paroli hätten bieten können. Man muss natürlich voraussetzen, dass unter den 1500 sicherlich ganz viele friedliche Fans waren, aber man sollte sehr genau über das reflektieren, was an diesem verfluchten Tag passiert ist… Denn wenigstens ich habe mich an diesem Tag und an vielen darauf folgenden Tagen furchtbar geschämt…

Ich schließe mit den Worten von Giovanni Vitale, dem Vater des betrauerten Simone: „Jenseits der strafrechtlichen Verantwortung wird mir nichts auf der Welt Simone zurückbringen können“…

Für ein Fußballspiel vier zerstörte Familien, vier viel zu früh in den Himmel aufgestiegene Engel…

NIE WIEDER…

Dem möchte ich nichts hinzufügen.

Nie wieder 24. Mai
Nie wieder 24. Mai

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