„La ruga è bella“ titelt die spanische Zeitung „As“ heute – „Falten sind schön“. Nun ja, die Spanier müssen sich ja auch nicht die Liga-Spiele der Mailänder anschauen, sondern bewerten nur die „großen Abende“ dieses Teams. Und viel größer als gestern Abend kann eine Begegnung in der Champions League nicht sein – zweier Teams, die zusammen 16 mal den Cup stemmen konnten. Und gestern Abend in Madrid schlägt die Erfahrung der Rossoneri die Arroganz der Madrilenen, die diesen Sommer ganz Europa wuschig gemacht haben mit ihrer Shopping-Tour. Eine Shopping-Tour, die unter anderem Kakà von Mailand nach Madrid verpflanzte.
Und für Milan, die sicherlich keinen Saisonstart hingelegt haben, der träumen lässt und die im übrigen im letzten Champions League-Spiel eine Heimniederlage gegen den FC Zürich einstecken mussten, beginnt das Spiel im schlechtesten aller denkbaren Modi: Dida, vierter Torwart für 4,5 Mio Euro netto im Jahr, der Held der unglaublichen Böcke, „Didastro“ eben, übertrifft sich einmal wieder selbst und schenkt Real den Führungstreffer. Einen sicher gehaltenen, von Granero zentral und schwach geschossenen Ball, lässt er auf sein Knie prallen, von dort aus hoppelt er zum lauernden Raul, der sich bedankt und einschiebt. Der absurd schwache Schiedsrichter übersieht zudem einen 120%igen Elfmeter, als Zambrotta den enteilten Benzema von hinten umsenst. Ansonsten „il solito Milan“, die in der ersten Halbzeit sage und schreibe 0 Torschüsse abgeben.
In der zweiten Halbzeit wird es dann ein Spiel. Vor allem, als der wiedergenesene Boriello den völlig in der Luft hängenden Inzaghi ablöst. Wie schon so oft in ihrer Geschichte (zuletzt 2007) kramen die Rossoneri in ihrem Erfahrungsschatz und schaffen es, über sich hinauszuwachsen. Einen Anteil daran hat sicherlich Real Madrid, denen man deutlich ansieht, dass es ihnen ohne Cristiano Ronaldo schlicht an Unberechenbarkeit und Spielwitz fehlt. Eine Mannschaft mit fantastischen Einzelkönnern, aber ohne erkennbares Spielsystem, ohne Laufbereitschaft, in der Kakà versucht, mit Einzelaktionen Gefahr zu kreieren, aber völlig auf sich allein gestellt bleibt. Benzema zeigt ein paar schöne Aktionen, strahlt aber nicht wirklich Torgefahr aus, vor allem, weil er es nie in den Strafraum schafft und sich mehr und mehr darauf verlegt, von außerhalb des Strafraums zu schießen. Der völlig überforderte Granera auf der linken Seite demonstriert alle Schwächen einer Mannschaft, die komplett auf Frontantrieb eingestellt ist und der jede Idee fehlt. Xabi Alonso sollte den Regie-Part übernehmen, fand im seltsam langsamen und uninspirierten Real aber praktisch nie Anspielpartner für einen gepflegten Dialog.
Praktisch demonstrierte Real Madrid die Schwächen, die Ãch beim AC Mailand schon die gesamte Saison kritisiere und schaffte es so, einem klinisch toten Gegner Selbstvertrauen einzuimpfen. Und so erinnerte sich Milans alte Garde an vergangene Champions-League-Feste und kämpfte sich in der zweiten Halbzeit zurück ins Spiel. Und es war Andrea Pirlo vorbehalten, den Weckruf ertönen zu lassen: Sein fulminanter Schuss aus 35 m schlägt neben dem linken Pfosten im Torwarteck ein – ein Meisterwerk! Ein Weckruf, der offenbar so ohrenbetäubend war, dass Real noch wenige Minuten später konsterniert war, als Ambrosini mit einem langen Pass Pato vors Tor von Casillas schickt. Der will offenbar seinem Gegenüber Dida nicht die Show gönnen und stürmt völlig konfus aus seinem Kasten, erinnert sich 5 m außerhalb des Strafraums daran, dass er den Ball nicht mit den Händen abwehren kann und lässt Pato zum 2:1 Führungstreffer gewähren.
Der eingewechselte Drenthe (wieso saß der eigentlich auf der Bank) schiesst ebenfalls aus der Distanz den 2:2 Ausgleichstreffer, bevor in der Schlussphase alles drunter und drüber geht. Zunächst gleicht der schwache Schiedsrichter seinen Fehler aus der ersten Halbzeit (der nicht gegebene Elfmeter) aus und erkennt Thiago Silva ein völlig reguläres Kopfballtor ab. Davon aber völlig unbeeindruckt, serviert Seedorf in der 89. Minute Pato den Ball zum 2:3 Endstand auf den Fuss. Doppelpack für den 20-jährigen Stürmer im Santiago Bernabeu – eindrucksvoll.
Tja, totgesagte leben länger und bei allen Problemen schafft es auch dieses Milan, in bestimmten Nächten über sich hinauszuwachsen und sich von der Magie der großen Spiele anstecken zu lassen. Großer Spiele, in denen Charakter, Mut und Erfahrung doch mehr zählen als noch so angsteinflößende Namen auf dem Papier. Genau das, was dem Stadtrivalen Inter seit Jahr und Tag fehlt, wie ich noch Dienstag abend live im San Siro erleben durfte. Danke Jungs, für diesen unvergesslichen Abend.
Und so war’s wirklich
http://www.youtube.com/watch?v=eakdZivimag
3 Antworten auf „Real Madrid vs. AC Milan 2:3 – Falten sind schön“
[…] trotzdem! Milan dreht das Spiel gegen die Roma und fährt 3 Tage später nach Madrid, um es den Galaktischen noch einmal so richtig zu zeigen. Und Milan hört nicht mehr auf, zu […]
toll geschrieben ein prima bericht….
der grosse ac milan hat wieder einmal sein wares gesicht gezeigt
Forza Milan
inter verrecke
Das war ja das eigentlich schöne, dass ich am Abend vorher im San Siro Inter gegen Kiev gesehen habe. Und genau das Gegenteil ist passiert: Inter hört den CL-Jingle und verliert alles, was sie jemals in der Hose hatten. Milan ist vielleicht alt und verbraucht und unmotiviert in der Meisterschaft – aber Milan hat zumindest den Charakter, mit der richtigen Mentalität in ein solches Spiel zu gehen. Inter nicht. Da kann sich dieser überbewertete Scharlatan Mourinho noch so aufplustern in der Pressekonferenz: Wichtig ist aufm Platz! Nelle partite che contano!