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Inter gegen Milan -3

Am Sonntag wird im Mailänder San Siro-Stadion ein Derby stattfinden. Wie eigentlich praktisch jedes Jahr seit 1908 wird das Stadion ausverkauft sein, Sport-Bars und Sofas werden überfüllt sein, 1-2 Wochen vorher macht sich Derby-Klima in der Stadt breit und die Journalisten räumen Platz frei für Gemeinplätze und Kaffeesatzleserei. So weit so normal, es ist ja schließlich Derby, auch dieses Jahr wieder zweimal pro Saison. Und trotzdem ist dieses Jahr alles anders: Das Spiel wird von einem – selbst für italienische Verhältnisse – unfassbaren Mediengewitter begleitet. Radio- und Fernsehstationen, Zeitungen und Websites, räumen der Partie deutlich mehr Platz als sonst ein, Ex-Spieler, Ex-Trainer, Ex-Zeugwarte und praktisch jeder, der schon mal einen Fußball von nahem gesehen hat, überbietet sich in Meinungen, Vorhersagen, Stellungnahmen, Kritiken, Lobeshymnen und sonstigem Beiwerk. Aufstellungen werden gehandelt, Diagnosen bis zum Erbrechen exegiert, sicher wurde auch schon die Farbe der Unterhose des Schiedsrichters schon irgendwo veröffentlicht. Die Fans tauschen den üblichen Schmäh schon länger aus als sonst, es wird noch tiefer in der Vergangenheit gegraben, noch mehr Abergläubigkeiten befolgt, noch mehr Statistiken zitiert, noch mehr Daumen gedrückt…kurzum: Fußball-Italien vibriert.

Dabei scheint der sportliche Aussagewert des Treffens auf den ersten Blick durchaus limitiert zu sein. Die beiden Teams – Inter ist Spitzenreiter, Milan Verfolger – trennen 6 Punkte (bei einem nachzuholenden Spiel für den AC Milan), der derzeitige Tabellendritte hat im Moment auch 5 Punkte Rückstand – selbst bei einem Derbysieg für die Rotschwarzen wird sich an der Tabellensituation nichts ändern. Der „Scudetto“ wird nicht Sonntag entschieden, wir sind ja erst am 3. Spieltag der Rückrunde. Trotzdem sind sich fast alle Betrachter einig, dass diese Ausgabe der Mailänder „Stracittadina“ die diesjährige Meisterschaft entscheiden wird – eine Bedeutung, die dieses Spiel seit der Saison 92/93 nicht mehr hatte. Aber trotzdem wird es vielleicht tatsächlich so sein: Der AC Milan startete desaströs in die neue Saison und wurde im ersten „Derby della Madunina“ nach der Era Kakà verdient und chancenlos mit 4:0 versenkt und Inter schickte sich an, die ungeliebte Aufgabe Meisterschaft (Saisonziel für die Nerazzurri ist seit kurz nach dem Krieg der Champions League-Titel) so routiniert abzuspulen, wie seit 3 Jahren schon.

Und trotzdem ist alles neu: Der AC Milan unter der kritisch beäugten Ägide des Neu-Trainers Leonardo entwarf nach Anfangsschwierigkeiten ein durchaus erfolgreiches Spielsystem und schaffte nicht nur die Qualifikation für die nächste Champions-League-Runde, sondern sorgte mit einer ausgewachsenen Siegesserie und berauschendem Offensivspiel in der einst so gern belächelten Meisterschaft (Saisonziel für die Rossoneri ist seit 2007 der Champions League-Titel) für Furore. Der extrovertierte Brasilianer Ronaldinho treibt gemeinsam mit Stürmer Marco „van“ Boriello seit kurzem eine Angriffsmaschinerie an, die nicht nur in Italien Ihresgleichen sucht: in den letzten 3 Saisonspielen mussten Genoa (5:2), Juventus (3:0) und Siena (4:0) leidvoll erfahren, wie gut die beiden mit dem mittlerweile mal wieder zurückgekehrten Beckham harmonieren. Einem David Beckham, der den verletzungsbedingten Ausfall des wohl größten Stürmertalents Alexandre Pato vergessen macht. Hinten hält das wohl derzeit beste Innenverteidiger-Duo Thiago Silva + Alessandro Nesta den direkten Weg zum Tor blockiert. Auf den Außenverteidigerpositionen spulen die bis dato weithin unbekannten Antonini und Abate pro Spiel gefühlte 25 km ab und sorgen für numerische Überlegenheit in allen Bereichen des Spielfelds. Das ganze ist erfrischend, schön anzuschauen, unterhaltsam und durchaus auch erfolgreich.

Gleichzeitig befindet sich die jedes Jahr mit Millionenspritzen für den europäischen Wettstreit aufgerüstete Kampfmaschine F.C. Internazionale in einer Schaffenskrise. Fans wie gegnerische Fans monieren einen Mangel an Spielwitz, der zwar normalerweise mit Willenskraft und Kampfgeist überspielt wird, aber in den letzten Wochen nicht nur zu dramatischen Spielverläufen (gegen den Tabellenletzten Siena lag Inter bis zur 86. Minute noch 3:2 zurück, um doch noch 4:3 zu gewinnen; gegen Aufsteiger Bari musste sogar ein 2-Tore Rückstand noch zum Remis gedreht werden, gegen Chievo musste sogar Lautsprecher Mourinho eingestehen, „den Sieg nicht verdient“ zu haben) geführt hat, sondern auch den ungeliebten Stadtrivalen eine Abstandsverkürzung in der Tabelle erlaubte. Ein Szenario, dass es seit mindestens 3 Jahren so nicht mehr gab. Nun ist es nicht erste Aufgabe des Vereins, den Fussball-Connoisseur zu befriedigen, aber wenn das Mourinho-typisch unansehnliche Spiel sich auch noch mit verbesserbaren Ergebnissen paart…hält man dem notorisch selbstverliebten Trainer eben besonders gern dessen Perlen aus dem „Handbuch des Kotzbrockens“ vor – wahlweise verbunden mit einem Verweis auf dessen Gehalt von 12 Mio netto oder mit der Erinnerung, dass Inter in Italien keine Rivalen hat und er nun bitte endlich seinen Job machen soll und die Champion’s League zu gewinnen habe.

Und so teilt sich Fußball-Italien in zwei Lager: Auf der einen Seite die blauschwarzen „Internazionalen“, die mit wenig Souveränität ihre Stärke beschwören und gleichzeitig die Nervosität des erstmals herausgeforderten Titelträgers deutlich durchblicken lassen. Auf der anderen Seite die Fans aller anderen Mannschaften, denen die jahrelange Dominanz der „Interisti“ – einhergehend mit der aufgesetzten Überheblichkeit derjenigen, die noch nicht das Siegen gelernt haben und arroganztriefenden Medienspektakeln ihres selbsternannten Startrainers „The Special One“ – gehörig „auf die coglioni“ geht und die sich eine Wachablösung da oben an der Spitze wünschen. Und so sorgt die derzeitige Konstellation dafür, dass geliebte alte Feindschaften notdürftig überpinselt werden und selbst eingefleischte Juventini nicht zögern, Milan auch öffentlich den Sieg zu wünschen. Das mag den Interfans gleichgültig sein, solange sie „verhasst aber erfolgreich“ an der Spitze stehen – es wird unangenehm, wenn man nur noch verhasst ist. So wie früher. Und nichts ist ja unangenehmer, als um die soeben erst gewonnene Titelwürdigkeit zu bangen.

Und die Nervosität hinterlässt Spuren. Während man sich im Hause Milan in Verlautbarungen zwar erfreut über die schöne Tabellensituation äußert, aber den Stadtrivalen trotzdem noch uneinholbar voraus sieht, toben die derart Gelobten wochenlang über eine lächerliche Spielverschiebung „zugunsten“ des AC Mailand, als hätte der sich soeben einen 30-Punkte-Vorsprung am grünen Tisch erstritten. Während Milans Spieler sich respektvoll und anerkennend gegenüber dem Gegner äußern und bestenfalls versprechen, „wirklich alles zu geben“, tönt es aus der anderen Ecke umso lauter über vermeintliche „Mauscheleien“ im Detail und ganz generell über eine „groß angelegte Verschwörung“ zu lasten des FCI. Nun, in Ordnung, typischer Trommelwirbel vor dem Spiel – aber Souveränität und Sicherheit sehen anders aus.

Es ist ein Derby und als solches ist das Ergebnis sicher nicht vorhersehbar. Und rein theoretisch dürfte es auch die Meisterschaft nicht entscheiden. Aber der moralische Effekt dieses Spiels dürfte nicht unterzubewerten sein: Siegt Inter, bleibt alles wie gehabt und die Milanisti sehen sich um das eigentliche (wenn auch natürlich nie ausgesprochene) Ziel ihrer Aufholjagd gebracht. Siegt Milan, können die Rotschwarzen im Nachholspiel mit Inter gleichziehen und mit dem gewonnenen Enthusiasmus den bis dato unbestrittenen Titelverteidiger wohl ernsthaft herausfordern. Es ist nur ein Fußballspiel, sicher. Aber eines, das einer gesamten Saison einen Sinn verleihen kann. Und ganz nebenbei ist es auch ein Derby.

6 Antworten auf „Inter gegen Milan -3“

Doch, die Roma mag ich. Ich bin nur offensichtlich nach 18 Uhr nicht mehr in der Lage, 5 Worte sinnvoll aneinanderzureihen, sorry. Vor allem hab ich das Spiel mit nem kleinen Roma-Fan gemeinsam geschaut und wir haben immer an denselben Stellen gejubelt.

Wem sagst du das. Den Anblick eines jubelnden Mourinho hätte ich mir auch gern gespart. Aber was solls, die waren gestern eben die bessere Mannschaft und haben uns berechtigt auf die Plätze verwiesen. Aber Romas Niederlagenserie zaubert mir schon ein Lächeln in den Mundwinkel…immer wieder…kann mich gar nicht sattsehen.

Rotschwarze Grüße!

Caz…!

Berlusca hin, Berlusca her, das Stracittadina will ich schon rotschwarz haben.

(Aber die Roma hat bei Juve gewonnen, Samp auch mal wieder. Okay. Eintracht nur gepunktet, grad noch so okay.)

:D:D:D genial! Man kann nicht sagen, dass der Typ nicht von sich reden macht. Man kann auch nicht sagen, dass er daran arbeitet, die Vorurteile gegenüber Albanern im Ausland zu entkräften.