Fußball ist ein Ergebnisspiel und wird durch Tore entschieden, insofern hat sich der AC Mailand gestern abend eine akzeptable Ausgangsposition für das Rückspiel im Mailänder San Siro in 2 Wochen erkämpft. Und weil es beim Fußball niemals nur um Fußball geht, standen sich auch jugendlicher Enthusiasmus und Erfahrung gegenüber, physische Frische gegen psychische Abgeklärtheit und insgesamt der italienische Fußball gegen den britischen. Und so ging es dann auch aus – Arsenal erspielt sich mit unendlicher jugendlicher Laufbereitschaft eine klare optische Überlegenheit, vergibt aber aufgrund jugendlicher Inkompetenz die herausgespielten Chancen. Milan hat zeitweise Probleme, den Ball unter Druck aus der eigenen Hälfte zu spielen und kommt nur zu zwei Torschüssen, zeigt aber defensiv ein recht ordentliches Stellungsspiel. Hase und Igel: der eine läuft schneller, der andere zeigt mehr Spielintelligenz.
Einen Sturmlauf konnte man von Milan auch wirklich nicht erwarten, der ist im Auswärts-Hinspiel auch nicht nötig. Der nur 17 Tage nach seiner Verletzung beim Florenz-Spiel wiedergenesene Pato steht etwas überraschend als einzige Spitze in der Startelf, Gilardino nimmt zunächst auf der Bank platz. Kakà , Seedorf und Pato sind ganz offensichtlich noch nicht ganz fit und so fehlt dem Angriffsspiel Milans doch einiges an Frische und Überraschung. Pirlo wird von den Engländern gut abgedeckt und bekommt leider keine erfolgversprechenden Freistoßsituationen. Aber dafür steht die Abwehr aus Maldini, Kaladze, Nesta (später Jankulovski) und Oddo ganz ordentlich – ein paar Chancen spielt sich eine Mannschaft von der Klasse und Geschwindigkeit eines Arsenal immer heraus, besonders kurz nach der Halbzeitpause erspielen sich die Gunners ein paar hochkarätige Chancen. Letztlich landeten die Versuche aber – sei es durch unpräzisen Abschluß, sei es durch Kalacs hervorragendes Stellungsspiel – immer in den Händen des Mailänder Torhüters. In der 94. Minute köpft Adebayor den Ball an die Latte – soviel Tragik muss sein.
Man kann Milan keinen Angsthasenfussball im Stile von Inters Auftritt in Liverpool vorwerfen, dass das Unentschieden von den Liebhabern stürmischen Angriffsfußball als ungerecht empfunden wird, liegt in der Natur der Sache. Letztlich geht das Unentschieden in Ordnung, wenn man keinen Ball ordentlich aufs Tor bringt, dann hat man eben keinen Sieg verdient. Milan zeigte zynischen Fußball im Stile einer Spitzenmannschaft, bei der zwar offensichtlich noch nicht alles rund läuft, man darf solche Ergebnisse aber nicht leichtfertig als ungerecht oder zufällig disqualifizieren. Fußball wird eben bis auf weiteres durch geschossene Tore entschieden, B-Noten für Torchancen, herausgespielte Ecken oder Vorteile im Ballbesitz gibt es nur von Journalisten.
Fakt ist, dass sich Milan im Rückspiel anders präsentieren muss und wird, ich erwarte mir einen Auftritt wie im letztjährigen Halbfinal-Rückspiel gegen Manchester United, wo die Ausgangssituation nach der unglücklichen Hinspiel-Niederlage durchaus schlechter war. Im Angriffsspiel ist noch Luft, die gerade wiedergenesenen Pato, Kakà und Seedorf werden Spielpraxis erlangt haben und Arsenals Eleven wären nicht die erste Mannschaft, die sich von einem ausverkauften San Siro beeindrucken ließe. Und letztlich ist es das, was eine gute Mannschaft von einer großartigen unterscheidet: genausoviel zu tun, wie nötig, um die angestrebten Ziele zu erreichen und nicht, soviel Laufbereitschaft wie möglich zu demonstrieren. Ich melde mich zum Rückspiel dann wieder aus dem Stadion, einstweilen gehen meine Grüße an die Milan Fans Berlin nach London.