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HiT ThE ROaD: Das Tramper-Taschenbuch

Manchmal werden mir Bücher in die Hand gedrückt, auf die ich im Leben nicht gekommen wäre. Und manchmal eröffnen sie mir Welten, die ich zumindest schon lange in irgendeiner Ecke meines biografischen Archivs verstaubt wähnte. Die Textsammlung "Hit the Road" ist eines dieser Bücher, der liebe Manuel schenkt es mir unvermittelt in einer Kneipe in Hannover und entgegen meiner sonstigen Gewohnheiten habe ich es in einem Zug durchgelesen. Ich lese nämlich eigentlich sehr langsam, wiederhole Absätze, denke zwischendurch drüber nach… und nur ganz selten passiert es mir, dass ich ein Buch unbedingt sofort zuende lesen muss.

Dieses "Tramper Taschenbuch" ist bis auf eine knappe Danksagung und einige Tipps und Kniffe zum Trampen ganz am Ende zunächst einmal eine Sammlung von verschiedensten Berichten vonn Menschen, die per Autostop unterwegs waren und dies wohl auch größtenteils noch sind. Selbstverständlich habe ich diese billige Art der Fortbewegung in meiner Studentenzeit gern praktiziert und auch heute nehme ich eigentlich immer jeden mit, der am Straßenrand den Daumen in den Wind hält. Aber in "Hit the Road" durfte ich auf viele verschiedene, allesamt extrem persönliche Weisen erfahren, wie weit herum in der Welt man so weit kommen kann. Wobei das durchaus nicht nur im geografischen Sinn gemeint ist: denn hunderte von lustigen, nachdenklichen, intelligenten oder einfach absurden Episoden und Anekdoten machen vor allem eines: den Horizont erweitern. Und Vorurteile abbauen.

Egal ob in Usbekistan, in der Wüste Syriens, im Dschungel Südostasiens, zwischen Drogenbaronen in Kolumbien oder auf der A2 zwischen Hannover und Berlin, Trampen funktioniert immer! Die Erlebnisse beim Autostop sind so vielfältig wie die Geschichten und Berichte in diesem Buch, die Erfahrungen so einzigartig wie jeder unserer Fahrer und die Erzählungen so verschieden wie die Charaktere, die an der Straße stehen und auf ihren nächsten Lift warten. Wer dieses Buch liest, der setzt sich mit Trampern zusammen ans Lagerfeuer und lauscht ihren Storys. Er liest eine Sammlung von Geschichten, Berichten, Anekdoten und Erlebnissen, die das Gefühl vermitteln, unterwegs zu sein und Lust auf mehr machen. Die meisten Leute auf der Welt sind eben doch freundlicher, als man denkt. Der Leser wird sich frei machen von der Angst vor dem Unbekannten und wird Lust bekommen, die Welt zu erkunden. Vielleicht ja auch per Anhalter? Auf geht’s!

Denn trampen ist vor allem erst einmal eine Möglichkeit, Menschen zu begegnen. Menschen, die man vermutlich unter anderen Umständen niemals kennengelernt hätte und die ebenso zufällig wie plötzlich in einem kleinen Raum aufeinander treffen. Autoren wie Paul Auster machen aus dem Erzählen flüchtiger, scheinbar nicht zusammenhängender Episoden große Kunst. Das vorliegende Buch macht vor allem Lust, sich diesem Abenteuer (wieder) zu stellen. Dabei geht es gar nicht darum, jetzt die ganz große Revolution anzuzetteln und sich monatelang durch die Armut und Gastfreundlichkeit Westafrikas oder die fantastische Welt Mittelamerikas zu bewegen. Auch ein kurzer Trip von Garbsen nach Michendorf oder eine Nacht in einem verlassenen Bahnwärterhäuschen an der Mosel kann das Potential haben, Leben zu verändern. Oder zumindest für immer erinnert zu werden.

Dabei sind natürlich nicht alle der gesammelten Erzählungen gleichermaßen packend. Manchmal scheint da vielleicht ein Kapitel angestrengt überinterpretiert und philosophisch aufgeladen. Bei anderen Begegnungen kann man Anti- und Sympathien der Mitfahrer vielleicht nicht teilen. Andere Geschichten, eigentlich fast alle, ziehen einen hingegen sofort in den Bann und ermöglichen einen ganz nahen Blick auf Welten, die man sicherlich nur beim Trampen entdeckt. Allen Erzählungen gemeinsam ist aber die gewollte Entschleunigung, der Wunsch, dem Zufall auf die Sprünge zu helfen und die Offenheit für Neues. Und vielleicht ist es das, was trotz der Vielzahl an unterschiedlichsten Erzählstilen das Buch am Ende zusammenhält: die Lust, sofort weiterzulesen, anderen Autoren über die Schulter zu schauen und an deren Erfahrungen teilzuhaben. Die Spannung, wirklich Erlebtes zu hören und ein kleines bisschen Neid, sich viel zu oft "traditionell" fortbewegt und so eben auch nur andere Langweiler kennengelernt zu haben.

Sicherlich – leider – kein Buch für jeden. Aber eine unbedingte Empfehlung für alle Neugierigen, alle die jederzeit durstige zwei Stunden am Straßenrand für eine neue Geschichte eintauschen würden. Für alle, die die Unvorhersehbarkeit der nächsten Begegnung allemal wichtiger ist, als die sichere Langeweile der pünktlich geplanten All-Inclusive-Tour. Ich habe die 180 Seiten jedenfalls sehr genossen und wenn sonst nichts anderes, haben sie in mir den Wunsch geweckt, es doch unbedingt bald mal wieder zu versuchen. Und irgendwie habe ich das Gefühl, dass das bezweckt war. Erfolgreich, Manuel!

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