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Diario di Dario

Schon bei der ersten Ausgabe des Fanzines „Diario di Dario“ (Darios Tagebuch) hatte ich mir ganz fest vorgenommen, darauf hinzuweisen, leider kam mir ein Dokumentarfilm dazwischen. Aber aufgehoben ist ja nicht aufgeschoben dachte ich, als sich die gerade erschienene zweite Ausgabe im Briefkasten fand. Leider ist das Deckblatt nicht mehr farbig, noch fiel mehr Schade finde ich aber den Umstand, dass das Heft nicht mehr zweisprachig auf italienisch und deutsch erscheint. Das fand ich ja gerade das Herausragende am Konzept der Berliner Macher, weil das durchaus ansprechende Zine ursprünglich sowohl in Deutschland wie auch in Livorno seine Abnehmer fand. Aber das soll euch ja nicht stören, wer meine Rezension lesen kann, der sollte mit einer deutschen Publikation durchaus klarkommen.

Der in klingnischen Schriftzeichen gesetzte Untertitel bedeutet übrigens „novità della curva nord“ und verheißt Neuigkeiten aus der Fankurve Livornos. Womit die fußballerische und politische Positionierung des Heftchens ausreichend erklärt sein sollte, hinter der die hinter dem Banner „Brigata Amaranto“ versammelten Jungs und Mädchen stehen. Und an die politisch linke, antirassistische und, fußballinteressierte Klientel wendet man sich dann auch. Die allerdings bekommt Informationen, die in dieser Qualität für ein solches Druckwerk überhaupt nicht selbstverständlich ist. So genügen die im Eingangskapitel gegebenen Tipps zu Speis und Trank in der Wiege der italienischen kommunistischen Bewegung mit Sicherheit für ein paar angenehm verbrachte Tage in der toskanischen Hafenstadt. In diesem vom üblichen Touristenverkehr üblicherweise links liegen gelassenen Ort findet man allein mit dem „Marco Polo“ in der Hand vermutlich nicht, wo sich das Hauptquartier der legendären BAL befand oder wo es die beste Fischsuppe gibt. Vom „Teatrofficina Refugio“, dem 2006 besetzten Theaterprojekt ganz zu schweigen, dem sich der nächste Abschnitt widmet. Den Artikel zum „jüdischen Livorno“ könnt ihr als Häppchen schonmal online kosten.

Es geht also bei weitem nicht nur um Fußball im „Diario“, auch wenn die Fans von Babelsberg und Livorno sich natürlich auch damit ausgiebig beschäftigen. So wird in kulinarisch aufgepeppter Hopping-Manier ihr letzter Ausflug ins „Armando Picchi“ beschrieben, aber auch der „Sommer mit der Nordkurve“ (von Babelsberg) oszilliert zwischen Hakim Bey, Brecht, Majakowskij und Bier und sprengt ein wenig die Erwartungshaltung, die man sonst so an Fußballfans und ihre Publikationen heranträgt. Absolutes Highlight und allein schon den kauf wert sind die beiden gewohnt formidabel übersetzten Kapitel „Der Schwarze Block“ und „Ich bin so wie du mich haben willst“ aus Domenico Mungos Anarcho-Roman „Sensomutanti“ (wer die Ironie entdeckt darf sie behalten). Einen Themenschwerpunkt stellt die detaillierte Aufarbeitung der Geschichte der „Aachen Ultràs“ dar, die sich faschistischen Anfeindungen in ihrer eigenen Kurve gegenüber sehen. Ein längeres Interview der Babelsberger Gruppe „Zujezogen 03“ rundet das Heft ab, bevor es mit einem Rückblick auf die Oktoberrevolution noch in eine Ehrenrunde geht.

Ich hab’s gern gelesen, die Autoren sind mit Herzblut dabei. Dabei dreht sich ja nur ein Teil um Fußball oder Livorno, so dass auch mäßig sportinteressierte Linke auf ihre Kosten kommen sollten. Ich persönlich bin kein Fan der „geschlechtergerechten Sprache“, aber deren Einsatz im Heft ist angesichts der Thematik nur konsequent. Und über so ein paar Asteriske kann man auchmal hinwegsehen. Frau vermutlich auch. Für jeden, der mal eins lesen mächte: Das Heft gibt es auch auf Facebook vorgestellt, die Macher „Brigata Amaranto“ sind dort auch vertreten. Man betreibt ein Blog, ist ansonsten aber auch jederzeit im Babelsberger Liebknecht-Stadion anquatschbar sowie bei antikapitalistischen und antirassistischen Veranstaltungen und Konzerten in und um Berlin. Oder halt per Mail an brigata_amaranto [Kringel] autistici [Punkt] org.