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Boateng, Schalke, Rassismus

Heute meldet die u.a. die Online-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung, dass der Spieler Kevin-Prince Boateng laut Aussage von Schalkes Finanzvorstand Peter Peters wegen Rassismus die Serie A verlassen hätte und nicht aus sportlichen Gründen, wie der Spieler selbst immer wieder betont. Nun bin ich zwar persönlich nicht begeistert darüber, dass einer meiner Lieblingsspieler meinen AC Milan verlassen hat und ich habe selbst die rassistischen Ausfälle beim Freundschaftsspiel gegen Pro Patria hier auf dem Blog begleitet, aber trotzem kann ich Herrn Peters‘ Aussage nicht nachvollziehen.

Boateng war letzte Saison leider nur noch ein Schatten seiner selbst, d.h. er hat schlecht gespielt. Richtig schlecht. Den „Bang Bang Boateng“ aus meinem Artikel vom Februar 2012 gab es nur in der Meistersaison zu sehen, danach eigentlich nur noch bei seinem Abschiedsspiel gegen den PSV. Stimmen aus dem Vereinsumfeld, dass man ihn gehen lassen wollte, solange man noch Geld bekommt (sein Vertrag lief 2014 aus, danach wäre er ablösefrei gewechselt), gab es schon lange vor dem Pro-Patria Eklat. Es drehten Gerüchte die Runde, er würde wahlweise Spielerfrauen angraben oder einen sonstig unsportlichen Lebenswandel führen, Flüge nach Formentera zur angeblich „kranken“ Melissa Satta spielen eine Rolle (wenn man sich halt erwischen lässt) und auch seine Zugehörigkeit zur Gruppe der „Dissidenten“, die Trainer Allegri absägen wollten (gemeinsam mit Nocerino, Ambrosini und Flaminì – von den Vieren ist nur noch Nocerino beim Verein…). Aber vor allem leideten ihm die Fans, dass der Medienrummel um ihn und seine Verlobte Melissa Satta, sein extravaganter Kleidungsstil und seine Vorliebe für lombardische In-Diskotheken in keinerlei Verhältnis mehr zu seinen sportlichen Leistungen auf dem Platz standen. Oder diese zu seinem Einkommen beim sich selbst finanzierenden Club aus Mailand.

Aber ich bringe einmal etwas handfestere sportliche Gründe, Formschwächen kommen ja vor. Nach der letzten Saison wurde beim AC Milan entschieden, dass man künftigein 4-3-1-2 spielen soll, weil Trainer Allegri der Meinung ist, dass Nationalstürmer Balotelli besser eingesetzt wird, wenn er als hängende Spitze neben einem echten Strafraumstürmer spielt – ansonsten hat dieser in der klassisch defensiven Serie A ja immer zwei Verteidiger auf den Füßen stehen. Zumindest gegen die absolute Mehrheit der Teams, die sich gegen Milan zunächst auf die geordnete Defensive verlegen.

Dieser Strafraumstürmer wurde mit Alessandro Matri von Juventus verpflichtet, dessen Ersatz wird dann Pazzini sein, wenn er wieder genesen ist. So stehen zwei Stürmer zur Verfügung, die sich Ellenbogenduelle mit den gegnerischen Verteidigern liefern und dessen Anspiele verwerten können. Weil der AC Milan, der seit Jahren im 4-3-3 System spielt, aber auch keinen Spieler für die Position des „Trequartista“ (also die Position „1“ hinter den Spitzen) hat, wurden gleich zwei „Trequartisti“ gekauft: Saponara und ein gewisser Riccardo Kakà. Zudem steht wohl fest, dass im Januar dann noch Honda für diese Position nach Mailand kommt. Dann wird man wohl den jungen Saponara verleihen.

Für Boa ist neben seiner seit 12 Monaten andauernden Form- und Motivationskrise und der Tatsache, dass die Fans ihn mehrheitlich loswerden wollten und es von Schalke noch einmal eine ordentliche Summe einzunehmen gab, einfach kein Platz mehr. Allegri hat ihn in der Vergangenheit auf allen möglichen Positionen ausprobiert, allerdings leider mit sehr unkonstanten Ergebnissen. Für die Mittelfeldreihe ist er taktisch zu anarchisch, die Experimente mit Boa als „Trequartista“ hinter den Spitzen waren nicht geeignet, diese Option als feste Variante einzuplanen. So spielte er dann meist – wenn er denn spielte – auf der rechten Sturmseite im 4-3-3, wie auch im CL-Qualifikationsspiel gegen den PSV. Nur dass es diese rechte Sturmseite in der neuen Saison nicht mehr gibt.

Ich glaube daher, dass sein Wechsel wirklich sportliche und ökonomische Gründe hatte. Und wenn her Peters meint:

„Er hatte eine Verabredung mit Präsident Silvio Berlusconi, dass er gehen kann, wenn der AC Mailand die Champions-League-Qualifikation schafft.“

muss ich sagen, dass der zeitliche Zusammenhang mit der CL-Quali eher so zu sehen ist, dass der Kauf von Matri und Kakà mehr kostete, als der Erlös von Boa eingebracht hätte – man musste also vor allen 3 Transfermarkt-Operationen erstmal das Ergebnis gegen PSV abwarten. Nach der Sicherung der ca. 30 Millionen Einnahmen für die Gruppenphase der Champion’s League gingen die 3 Wechsel dann sehr schnell über die Bühne. Berlusconi mischt sich ins Tagesgeschäft des AC Milan sowieso kaum mehr ein, sein Fauxpas, als er den Stürmer der Jugendmannschaft Andrea Petagna fälschlicherweise „Pignatone“ nannte, zeigt eher, dass der Herr Berlusconi nichtmal mehr die Namen seiner Spieler kennt.

Bei aller Ablehnung von Rassismus: Ich denke, nun durchsickern zu lassen, Boa hätte die Serie A wegen Rassismus verlassen, kommt natürlich besser, als sich einzugestehen, dass Milan ihn unbedingt loswerden wollte. ich find’s trotzdem schade.

7 Antworten auf „Boateng, Schalke, Rassismus“

Interessante Informationen. Aber 29 Serie A Einsätze (25 von Beginn an), dazu 7 in der Champions League sprechen doch eigentlich gegen einen durchgehend "richtig schlecht" spielenden Boateng, es sei denn, der AC Mailand hatte einen beklagenswert dünnen Kader (oder fraglich kompetente Trainer)? Allerdings die Marktwertentwicklung von 23 Millionen Euro im Juni 2012 auf zuletzt 15 Millionen laut transfermarlkt.de stützt die Aussage.

Für vorn rechts gab es Boa und den 18-jährigen Niang, so richtig dick ist das nicht. Vor lauter Verzweiflung wurde selbst der Linksfuß Emanuelson auf der Position einegsetzt. Aber durchgehend schlecht stimmt ja auch nicht. In der Meistersaison war er hervorragend, danach durchgehend schlecht.