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AC Milan ./. Inter 2:1

Das wichtigste gleich vorweg: Die endlose Odyssee meiner ChampionsLeague-Siegzigarre (danke soef) hat endlich ein Ende gefunden, als ich mir die Cohiba am Ende eines perfekten Derby-Sonntags in der Inter-Kneipe genüßlich schmecken ließ. Als Geschenk zum Arsenal-Spiel erhalten, hatte ich schon gegen die Roma und gegen Juve daran gerochen – aber erst jetzt konnten wir das Ding aus vollen Zügen genießen. Endlich wieder ein Derby gewonnen, gleichzeitig den Interisti die Meisterfeier versaut und auf den 4. Platz vorgeschoben – besser hätte der Tag nicht laufen können.

MisterCali von den Milan Fans Berlin war schon eine Woche vor dem Spiel mein Gast und gemeinsam haben wir nicht nur einen wunderschönen Ausflug nach Turin mit den Brigate Rossonere Torino erlebt, sondern auch einen eskalierten Samstagabend in meiner Dorfkneipe. Leicht angeschlagen, aber halbwegs adrenalindurchflossen ging es also mit leichter Verspätung gen Mailand. Kein Wunder – es stand für die Rossoneri der die Champions League-Qualifikation bedeutende 4. Platz zur Disposition. Und nach 3 vergeigten Derbys riskierten wir mindestens ein halbes Jahr Gespött von der dunklen Seite der Stadt. Kaum jemals zuvor ging es in dem sowieso schon sehr speziellen Spiel zu diesem Zeitpunkt der Saison um so viel. Dem unvergleichlichen Organisationstalent meiner Ex-Frau ist zu verdanken, dass auch unser Sohn sein erstes Spiel gegen Inter erleben durfte – übertroffen nur durch die gemeinsamen Anstrengungen, den Zwerg ohne Karte ins Stadion zu schleusen und im völlig überfüllten San Siro einen Platz zu finden, von dem aus er auch etwas sehen konnte.

Die Atmosphäre rund ums Stadion empfand ich – mittlerweile ja in die Jahre gekommen und nicht mehr dringend auf Konfrontation aus – als sehr angenehm. Bei aller Abneigung gegen die blauschwarzen Gestalten standen wir alle in Grüppchen vor dem Baretto, ohne dass an irgendeiner Stelle auch nur entfernt Gefahr bestanden hätte. Mein Kleiner, von oben bis unten in rotschwarz, trug jedenfalls stolz und tapfer seine Teufelchen-Fahne durch die „feindlichen“ Ultrà-Gruppierungen am Baretto – wenn auch deutlich mehr daran interessiert, den M&M-Hostessen möglichst viele Schokoladenkullern aus dem Kreuz zu leiern. Das wunderschöne Sommerwetter trug ein übriges zu einer zwar sportlich gespannten aber absolut gewaltfreien Atmosphäre bei – man frotzelt, man singt, man zieht einander auf aber man steht auch auf einen Meter Distanz vor derselben Bar. Ich weiß, dass dies für die Medienvertreter „keine Nachricht“ ist, aber ich möchte angesichts der üblichen Krawallgeschichten nicht versäumen, darauf hinzuweisen, dass es eben auch anders geht.

Die Mannschaft hatte das Publikum als 12. Mann eingefordert und die Fans der Rossoneri ließen sich nicht zweimal bitten. Endlich gab es wieder Choreographien in beiden Kurven, die Curva Sud präsentierte einen riesigen, betrunken Fernsehen glotzenden Homer Simpson, darunter ein massiver Striscione: „Anche nell’anno del centennario…sempre il solito scenario“ („auch im Jahr des hundertjährigen Bestehens…wie immer dasselbe Szenario“) – das in riesigen Lettern präsentierte Datum „21.05.2008“ (das Datum des Champions League Finales) erinnerte die Heinis in der Nordkurve daran, dass sie sich solche Ereignisse seit jeher beim Bier vorm TV anschauen. Eine tolle Idee – ich weiß aus eigener Anschauung, dass der fehlende internationale Erfolg den Interisti seit jeher ein Stachel im Fleisch ist. Was soll’s „Milano siamo noi!

Über das Spiel haben andere schon schlauere Worte geschrieben, ich fasse mich daher kurz. Die erste Halbzeit sah ein hochkonzentriertes, drückend überlegenes Milan, das bei allen spielerischen Unzulänglichkeiten den Ball gut laufen ließ und sich einige hochkarätige Chancen erspielte. Superpippo, Ambrosini und Gattuso waren natürlich völlig wild auf das Derby und Favalli spielte eine der besten Partien in rot-schwarz – eigentlich hätten wir schon vor der Pause in Führung gehen müssen, aber der wiedererstarkte Julio Cesar rettete mehrfach in hächster Not vor unser einzigen Spitze (aber was für eine!). Inter spielte, wenn man es wohlwollend ausdrückt, „abwartend“; ich selbst halte den Auftritt der cugini eher für die hundertste Bestätigung, dass Inter einfach in Spielen, bei denen es um etwas geht, nicht stattfindet (siehe Champions League). Sicher reicht die Breite des Kaders und der angeschlossenen Schiedsrichter aus, um über 38 Ligaspiele irgendwie einen Titel zu holen, aber in echten Entscheidungsspielen reicht der Charakter des Teams einfach nicht aus.

Die zweite Hälfte versetzte dann endgültig die Tifoserie in Rage – Kakà und Inzaghi, die gemeinsam in den letzten 4 Meisterschaftsspielen 13 Tore beisteuerten, fanden sich wieder und der Brasilianer spielte Pippo den Ball sechs Minuten nach Wiederanpfiff passgenau auf den Kopf. Inzaghi steht da, wo er hingehört und lässt Cesàr diesmal per Kopf keine Chance. Das 99. Tor unserer Nummer 9 direkt unter der Kurve, besser hätte man den Nachmittag nicht designen können. Völlig aufgedreht wurde das sichtlich angeschlagene Inter nun im Stile einer Klassemannschaft an die Wand gespielt. Tor Nummer 2 ließ nur 5 Minuten auf sich warten, diesmal war es Kakà selbst, der dem Inter-Torhüter ein wunderbares Zuspiel von Ambrosini durch die Hosenträger schob. Im Zweifelsfall wäre rechts noch Inzaghi freigelaufen, aber der Weltfußballer des Jahres strotzt vor Selbstbewusstsein und macht es selbst. Inter sollte später durch einen Freistoßtreffer noch einmal verkürzen, aber das alles ändert nichts daran, dass die Interisti ihre – im übrigen sehr schöne – grün-weiß-rote Rauchtrikolore nur deshalb abbrannten, weil sie sie nicht mehr mit nach Hause nehmen konnten. Den Scudetto gewannen sie diesmal noch nicht, unter anderem weil die Roma ihr Spiel bei Sampdoria souverän mit 3:0 nach Hause brachte!

Ich möchte aber nicht unerwähnt lassen, dass das Derby trotz der hohen Emotionen und der sportlichen Bedeutung durchaus fair geführt wurde. So wies Crespo zum Beispiel Schiedsrichter Rosetti darauf hin, dass er den Ball als letzter berührt hatte und verzichtete auf einen bereits fälschlich zugesprochenen Eckball. Danach spielte Inter einen sinnlos verpfiffenen Einwurfwechsel (die Balljungen warfen nacheinander wiederholt sinnlos Bälle aufs Spielfeld) sehr fair zu uns zurück. Ich denke, dass so etwas – bei aller Rivalität durchaus nicht selbstverständlich ist. Ich will nicht behaupten, dass die blauschwarze Söldnertruppe jetzt Klasse besitzt, aber schön fand ich die Gesten doch.

Sofern dieser Tag noch perfektioniert werden konnte, dann dadurch, dass die körperlich und psychologisch UEFA-Cup geschwächte Fiorentina in Cagliari verlor und uns vorerst auf den so lange ersehnten 4. Platz durchwinkte. Ich hab mich nur noch auf meine Zigarre gefreut und hab es mir nicht nehmen lassen, die in meiner heimischen Inter-Kneipe zu zelebrieren.

„piüttöst che l’Inter le mej piüttöst“

9 Antworten auf „AC Milan ./. Inter 2:1“

„Vielleicht wäre ein Abstieg in der Tat eine Chance auf einen Neuanfang“ … Das denk ich beim FCK auch hin und wieder. Aber jetzt, wo der Verein heute erstmals seit Ewigkeiten die Abstiegsränge verlassen hat, wär mir der Klasenerhalt doch lieber 😉 „Im Abstieg eine Chance sehen“ wäre dann der nächste Schritt, um das Positive aus dem Negativen zu ziehen.

@stefano: Aber siehste, ich hab durchgehalten und sie zu einem passenden Sieg geraucht. Jetzt nur noch durch die Müllberge kämpfen und dann war’s doch ein ganz versöhnlicher Abschluß. Pippo wird’s schon richten.

@jurij: Danke, aber das war’s wohl in der Tat für Livorno und mit der kämpferischen Einstellung haben die Amaranti auch in den letzten beiden Spielen keine Chance. Vielleicht wäre ein Abstieg in der Tat eine Chance auf einen Neuanfang – aber mit Spinelli sehe ich dafür wenig Chancen.

Na das freut mich ja, dass die kleine Cubanerin doch noch vernascht wurde. Musstest es ja oft genug verschieben…